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Der gewöhnliche Töpferthon gehört zu den sterilsten Bodenarten, obwohl er in seiner Zusammensetzung alle Bedingungen des üppigsten Gedeihens der meisten Pflanzen enthält, aber ihr blosses Vorhandensein reicht nicht hin, um einer Pflanze zu nützen. Der Boden muss der Luft, dem Sauerstoff, der Kohlensäure zugänglich, er muss für diese Hauptbedingungen der freudigen Entwickelung der Wurzel durchdringlich, seine Bestandtheile müssen in einem Zustand der Verbindung darin enthalten sein, der sie fähig macht, in die Pflanze überzugehen. Alle diese Eigenschaften fehlen dem plastischen Thon, sie werden ihm aber gegeben durch eine schwache Calcination[1].

Die grosse Verschiedenheit in dem Verhalten des gebrannten und ungebrannten Thons zeigt sich in feuchten Gegenden an den mit Ziegeln aufgeführten Gebäuden. In den flandrischen Städten, wo fast alle Gebäude aus Backsteinen bestehen, bemerkt man an der Oberfläche der Mauern schon nach wenigen Tagen Auswitterungen von Salzen, welche sie wie mit einem weissen Filze überziehen. Werden diese Salze durch Regen abgewaschen, so kommen sie sehr bald wieder zum Vorschein, und dies beobachtet man selbst an Mauern, welche, wie die Thore der Festung Lille, schon Jahrhunderte lang stehen. Es sind dies kohlensaure und schwefelsaure Salze mit alkalischen Basen, welche bekanntlich in der Vegetation eine sehr wichtige Rolle spielen. Auffallend ist der Einfluss des Kalkes auf diese Salzauswitterungen; sie kommen nämlich zuerst an den Stellen zum Vorschein, wo sich Mörtel und Stein berühren.

Es ist klar, dass in Mischungen von Thon mit Kalk sich alle Bedingungen der Aufschliessung des Thonsilicates, des Löslichwerdens der kohlensauren Alkalien vereinigt finden. Der in kohlensaurem Wasser sich lösende Kalk wirkt wie Kalkmilch auf den Thon ein, und hieraus erklärt sich der günstige Einfluss, den das Ueberfahren mit Mergel (womit man alle an Kalk reichen Thone bezeichnet) auf die meisten Bodenarten ausübt. Es giebt Mergelboden, welcher an Fruchtbarkeit für alle Pflanzengattungen alle anderen Bodenarten übertrifft. Noch weit wirksamer muss sich der Mergel in gebranntem Zustande zeigen, so wie die Mineralien, die ihm ähnlich zusammengesetzt sind: hierher gehören bekanntlich die Kalksteine, welche zur Bereitung des hydraulischen Kalkes sich eignen; durch sie werden dem Boden nicht allein die den Pflanzen nützlichen alkalischen Basen, sondern auch Kieselerde in dem zur Aufnahme fähigen Zustande zugeführt.

Die Braun- und Steinkohlenaschen sind als vortreffliche Mittel zur Verbesserung des Bodens an vielen Orten im Gebrauch; man erkennt diejenigen, welche ganz besonders diesen Zweck erfüllen, an ihrer Eigenschaft mit Säuren zu gelatiniren, oder, mit Kalkbrei gemischt, nach einiger Zeit, wie der hydraulische Kalk, fest und steinhart zu werden.

Die mechanischen Operationen des Feldbaues, die Anwendung des Kalkes und das Brennen des Thones vereinigen sich, wie man sieht, zur

  1. Ich sah in Hardwik Court bei Glocester den Garten des Herrn Baker, der, aus einem steifen Thon bestehend, aus dem Zustand der höchsten Sterilität in den der grössten Fruchtbarkeit durch blosses Brennen überging. Die Operation war bis zu einer Tiefe von drei Fuss vorgenommen worden – ein nicht sehr wohlfeiles Verfahren, allein der Zweck wurde erreicht.
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_329.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)