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Aus gefaultem Harn, Mistjauche mit vielem Wasser verdünnt, oder Gülle, oder aus einer Auflösung von Guano in Wasser nimmt Ackererde alles darin enthaltene Ammoniak, alles Kali und alle Phosphorsäure auf, und wenn die Menge der Erde genügte, so enthält das abfliessende Wasser keine Spuren mehr davon (Thompson, Hutstable, Way.)[1]

Die Eigenschaft der Ackerkrume, Ammoniak, Kali, Phosphorsäure, Kieselsäure ihren Auflösungen zu entziehen, ist begrenzt; jede Bodenart besitzt dafür eine eigene Capacität; bringt man diese Lösungen damit in Berührung, so sättigt sich die Erde mit dem gelösten Stoff, ein Ueberschuss desselben bleibt alsdann in Lösung, und kann mit den gewöhnlichen Reagentien nachgewiesen werden. Der Sandboden absorbirt bei gleichem Volum weniger als der Mergelboden, dieser weniger als Thonboden. Die Abweichungen in der absorbirten Menge sind aber eben so gross wie die Verschiedenheiten der Bodensorten selbst. Man weiss, dass keiner dem andern gleich ist; es ist nicht unwahrscheinlich, dass gewisse Eigenthümlichkeiten in der landwirthschaftlichen Cultur mit dem ungleichen Absorptionsvermögen der verschiedenen Bodenarten für einen der genannten Stoffe in einer bestimmten Beziehung stehen, und es ist nicht unmöglich, dass wir durch die nähere Ermittelung derselben ganz neue und unerwartete Anhaltepunkte zu Beurtheilung des landwirthschaftlichen Werthes oder der Güte der Felder gewinnen.

Bemerkenswerth ist die Wirkung einer Erde auf die Lösungen, welche reich an organischen Materien ist. Ein an organischen Materien armer Thon- oder Kalkboden entzieht der Lösung von kieselsaurem Kali alles

  1. Ich kann hier einer Erfahrung nicht unerwähnt lassen, welche mir vor einigen Jahren von Herrn Dr. Marquart in Bonn mitgetheilt wurde, und welche in Beziehung auf das Absorptionsvermögen des Thons für Ammoniak merkwürdig genug ist.

    Um das Kupferoxyd aus Kupferschiefer, in welchem es in der Form von Malachit und Lasur eingesprengt war, auszuziehen, kam ein Fabrikant am Rhein auf die Idee, sich hierzu des Ammoniaks zu bedienen, welches in Versuchen im Kleinen seinem Zweck entsprechende Resultate gegeben hatte. Er construirte mit einem beträchtlichen Aufwand einen Ausziehungsapparat im Grossen, der aus zwei Kesseln bestand, die durch ein sehr weites Rohr mit einander in Verbindung standen. In den einen Kessel kam die Ammoniakflüssigkeit; die Röhre war angefüllt mit dem Kupferschiefer und der zweite Kessel diente als Condensator. Der Einrichtung gemäss sollte Ammoniak und Wasserdampf durch das Rohr mit Kupfererz getrieben, sich darin condensiren, das Kupferoxyd auflösen und die Lösung in den zweiten Kessel überfliessen. Die Röhre sollte alsdann mit frischem Kupfererz gefüllt und das Ammoniak der gesättigten Lösung, durch Kochen ausgetrieben, zum zweiten Mal zum Ausziehen einer neuen Portion des Kupfererzes dienen, und da der Apparat luftdicht verschlossen war, so hoffte man, dasselbe Ammoniak ohne Verlust zum Ausziehen grosser Quantitäten Kupfererz gebrauchen zu können. Der eine der beiden Kessel diente immer abwechselnd als Condensator. Der erste Versuch gelang in so fern, als sich in dem einen Kessel wirklich eine Lösung von Kupferoxyd ansammelte; allein beim Durchtreiben durch eine zweite Portion Kupferschiefer verschwand das Ammoniak auf eine für den Fabrikanten unbegreifliche Weise, so dass das Verfahren aufgegeben werden musste. Das Verschwinden des Ammoniaks in diesen Operationen war ohne Zweifel durch dessen Absorption von dem Thon des Kupferschiefers herbeigeführt worden, und es kann diese Thatsache als ein Beweis für die mächtige Anziehung zwischen beiden angesehen werden, welche selbst durch den Einfluss einer hohen Temperatur nicht aufgehoben zu werden scheint.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_352.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)