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2,23 Procent seines Gehalts an Aschenbestandtheilen; während ihm, wie angenommen, die Wurzeln des Roggens nur ein Procent entziehen, verliert er durch die Cultur der Haferpflanze 2,23 Procent. Dies kann nur geschehen, wenn die Wurzeloberfläche des Hafers die des Roggens um das 2,23fache übertrifft.

Die Haferernten werden hiernach den Boden am raschesten erschöpfen, schon nach 12¾ Jahren wird die Ernte auf ¾ ihres anfänglichen Betrags herabsinken müssen.

Keine von allen den Ursachen, welche die Erträge zu vermindern oder zu erhöhen vermögen, hat auf dieses Gesetz der Erschöpfung des Bodens durch die Cultur einen Einfluss. Wenn die Summe der Nahrungsstoffe um eine gewisse Anzahl von Theilen vermindert worden ist, so hört der Boden auf, in landwirthschaftlichem Sinne fruchtbar für ein Culturgewächs zu sein. Wenn durch Einverleibung von atmosphärischen Nahrungsstoffen, von organischen Materien und Ammoniaksalzen die Erträge eine Reihe von Jahren hindurch gesteigert worden sind, so tritt der Zustand der Erschöpfung früher ein; durch Hindernisse und Widerstände in der Aufnahme der Nahrung werden die Erträge kleiner, und die Grenze der Erschöpfung tritt alsdann später ein.

Für eine jede Culturpflanze besteht ein solches Gesetz.

Dieser Zustand der Erschöpfung tritt unabwendbar ein, auch wenn in einer Reihenfolge von Culturen dem Boden nur ein einziger von allen den verschiedenen für die Ernährung der Gewächse nothwendigen mineralischen Nahrungsstoffen entzogen worden ist, denn der eine, welcher fehlt oder mangelt, macht alle andern wirkungslos, oder nimmt ihnen ihre Wirksamkeit.

Mit einer jeden Frucht, mit einer jeden Pflanze oder Theil einer Pflanze, die man von dem Felde hinwegnimmt, verliert der Boden einen Theil von den Bedingungen seiner Fruchtbarkeit, d. h. er verliert das Vermögen diese Frucht, Pflanze, oder Theil einer Pflanze nach Ablauf einer Reihe von Culturjahren wieder zu erzeugen. Tausend Körner bedürfen tausendmal so viel Phosphorsäure vom Boden wie ein Korn, und tausend Halme tausendmal so viele Kieselsäure wie ein Halm, und wenn es an dem tausendsten Theil von Phosphorsäure oder Kieselsäure im Boden fehlt, so bildet sich das tausendste Korn, der tausendste Halm nicht aus. Ein einzelner von dem Getreidefeld hinweggenommener Getreidehalm macht, dass dies Feld einen gleichen Getreidehalm nicht mehr trägt.

Wenn es wahr ist, dass die Aschenbestandtheile der Halmpflanzen unentbehrlich sind für ihre Entwickelung, und vom Boden geliefert werden müssen, wenn die Pflanzen wachsen und gedeihen sollen; wenn es wahr ist, dass unter diesen Aschenbestandtheilen das Kali, die Phosphorsäure und die Kieselsäure den Pflanzenwurzeln nicht in einer Lösung zugeführt werden, so folgt hieraus von selbst, dass ein Hectar Feld, welcher 25,000 Ko. von den Aschenbestandtheilen des Weizens gleichförmig verbreitet und in einem für die Pflanzenwurzeln vollkommen aufnehmbaren Zustand enthält, dass dieser Hectar Feld, wenn die gleichförmige Mischung durch sorgfältiges Pflügen und alle hierzu dienlichen Mittel erhalten worden wäre, ohne irgend einen Ersatz

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_391.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)