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Es muss sich demnach unter diesen Umständen eine Lösung von phosphorsaurem Kalk bilden, die sich rings um jedes Körnchen nach allen Seiten hin in der Ackerkrume verbreitet; überall, wo diese Lösung mit Ackerkrume zusammentrifft, welche nicht mit phosphorsaurem Kalk gesättigt ist, wird die Erde von dem zugeführten phosphorsauren Kalk eine gewisse Menge binden, der damit gesättigte Theil der Ackerkrume wird der Verbreitung der Lösung in weiteren Kreisen kein Hinderniss entgegensetzen.

Ganz dasselbe wird statthaben für die Verbreitung der Kieselsäure und des Kali’s im Boden, wenn derselbe durch Kohlensäure aufschliessbare Silicate enthält. Es wird sich alsdann um jeden Theil des Silicats eine Auflösung von überschüssigem kieselsaurem Kali bilden, deren Bestandtheile erst von den nächstliegenden, dann von den entfernteren Theilen der Ackerkrume immer wieder gebunden werden.

Zu der Verbreitung dieser Nahrungsstoffe in der angegebenen Weise gehört nothwendig eine gewisse Zeit.

Wenn wir uns nun denken, dass unser Feld 25,000 Kilogrm. von den Aschenbestandtheilen des Weizens vollkommen gleichmässig vertheilt, und 5 oder 10, oder mehr 1000 Pfund der nämlichen Nahrungsstoffe, die Phosphorsäure desselben als Apatit, die Kieselsäure und das Kali als aufschliessbares Silicat ungleichförmig vertheilt enthalten hätte; wenn ferner von diesem letztern auf die eben auseinandergesetzte Weise von zwei zu zwei Jahren eine gewisse Menge löslich und verbreitbar geworden wäre, in einem solchen Verhältniss, dass die Pflanzenwurzeln in allen Theilen der Ackerkrume von diesen Nahrungsstoffen eben so viel als im vorhergegangenen Culturjahre angetroffen hätte, genügend also zu einer vollen Mittelernte: so würden wir eine Reihe von Jahren hindurch volle Mittelernten erzielt haben, wenn wir zwischen jedes Culturjahr ein Brachjahr eingeschaltet hätten. Anstatt dreissig stets abnehmender Ernten würden wir in diesem Falle in 60 Jahren 30 volle Mittelernten erhalten haben, wenn der vorhandene Ueberschuss im Boden bis dahin ausgereicht hätte, die jährlich in den Ernten hinweggenommene Menge Phosphorsäure, Kieselsäure und Kali in allen den Theilen zu ersetzen, denen sie entzogen wurden. Mit der Erschöpfung dieses Ueberschusses würden für dieses Feld die abnehmenden Erträge beginnen, und auf’s Neue weiter eingeschobene Brachjahre würden alsdann auf die Erhöhung dieser Erträge nicht den mindesten Einfluss ausgeübt haben.

Wäre der in dem eben betrachteten Fall angenommene Ueberschuss von Phosphorsäure, Kieselsäure und Kali nicht ungleichförmig, sondern gleichförmig verbreitet, und für die Pflanzenwurzeln überall vollkommen zugänglich und in aufnehmbarem Zustande im Felde vorhanden gewesen, so würde man dreissig volle Ernten in dreissig Jahren nach einander ohne Einschiebung eines Brachjahres auf diesem Felde erzielt haben.

Kehren wir zu unserem Felde zurück, von welchem wir angenommen haben, dass es 25,000 Kilogrm. Aschenbestandtheile des Weizens in der vollkommensten Weise vertheilt, und in aufnehmbarem Zustand enthielte,

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_393.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)