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in Wasser eingeweicht, und in flüssiger Form verbraucht. Der Chinese düngt, den Reis ausgenommen, nicht das Feld, sondern die Pflanze.

Eine jede Substanz, die von Pflanzen und Thieren stammt, wird von dem Chinesen sorgfältig gesammelt und in Dünger verwandelt; die Oelkuchen, Horn und Knochen sind hoch geschätzt, eben so Russ und besonders Asche; es reicht hin zu erwähnen, um den Begriff von dem Werth thierischer Abfälle vollständig zu machen, dass die Barbiere die Abfälle der Bärte und Zöpfe, welche bei Hunderten von Millionen Köpfen, die täglich rasirt werden, schon etwas ausmachen, sorgfältig zusammenhalten und Handel damit treiben; der Chinese ist mit der Wirkung des Gypses und Kalks vertraut, und es kommt häufig vor, dass sie den Bewurf der Küchen erneuern, blos um den alten als Dünger zu benutzen. (Davis.)

Kein chinesischer Landwirth säet einen Getreidesamen, bevor er in flüssiger mit Wasser verdünnter Jauche eingequellt worden ist und angefangen hat zu keimen, und es hat ihn (so behauptet er) die Erfahrung belehrt, dass nicht nur die Entwickelung der Pflanzen dadurch befördert, sondern auch die Saat vor den im Boden verborgenen Insecten geschützt werde. (Davis.)

Während der Sommermonate werden alle Arten von vegetabilischen Abfällen mit Rasen, Stroh, Gras, Torf, Unkraut mit Erde gemischt, in Haufen gesetzt und, wenn diese trocken sind, angezündet, so dass sie in mehreren Tagen langsam verbrennen und das Ganze in eine schwarze Erde verwandelt ist. Dieser Dünger wird nur zur Samendüngung verwendet. Wenn die Säezeit da ist, macht ein Mann die Löcher, ein anderer folgt und legt den Samen ein, ein dritter fügt die schwarze Erde hinzu – die junge Saat, in dieser Weise gepflanzt, entwickelt sich mit einer solchen Kraft, dass sie dadurch befähigt ist, ihre Wurzeln durch den strengen dichten Boden zu treiben, und die Bestandtheile desselben sich anzueignen. (Fortune.)

„Den Weizen säet der chinesische Landmann, nachdem die Samen in Mistjauche eingeweicht gewesen sind, in Samenbeete ganz dicht, und versetzt die Pflanzen; bisweilen werden auch die eingeweichten Körner sofort in den zubereiteten Acker dergestalt gesteckt, dass sie vier Zoll von einander kommen. Die Verpflanzungszeit ist gegen December; im März treibt die Saat sieben bis neun Halme mit Aehren, aber kürzeres Stroh als bei uns. Man hat mir gesagt, dass der Weizen das 120ste Korn und darüber gebe, was die aufgewendete Mühe und Arbeit reichlich lohnt.“ (Eckeberg, Bericht an die Akademie der Wissenschaften in Stockholm, 1765.)[1]

  1. In dem „Dresdener Journal“ vom 16. September 1856 findet sich folgende Notiz: „Wie uns aus Eibenstock mitgetheilt wird, hat der dortige Forstinspector Thiersch bereits seit mehreren Jahren sehr gelungene Versuche mit dem Verpflanzen von Winterkorn in der Herbstzeit gemacht. Derselbe versetzte nämlich in der Mitte des Monats October die dazu bestimmten Pflänzchen, 1 Metze Aussaat auf 100 Quadratruthen Fläche, was ein ungewöhnlich ergiebiges Resultat lieferte. Es kamen Stöcke vor, die bis zum 51 Halme mit Aehren enthielten, wovon letztere wieder bis zu 100 Körner zählten.“

    Ich habe Herrn F. J. Thiersch um nähere Erläuterung seiner Versuche gebeten, und nach seiner Mittheilung über Kosten und Ertrag scheint es keinem Zweifel zu unterliegen, dass auf reichen Feldern und in Gegenden, wo es an Händen nicht fehlt, das chinesische Culturverfahren auch bei uns Vortheile verspricht. Einer meiner Freunde, welcher das Versuchsfeld sah, theilte mir mit, dass er an einer zufällig ausgerissenen (nicht ausgewählten) Pflanze 21 Halme mit vollen Aehren gezählt habe. Für arme Felder passt diese Cultur durchaus nicht.

    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_452.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)