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den Reden und Schreiben hervor, mit denen der älteste Chronist von Florenz, der Judex Sanzanome, seine Nachrichten geschmückt hat[1]. Ohne grosse Tapferkeit und hervorragendes Kriegsgeschick seiner ältesten Bürger ist in der That das Emporkommen von Florenz nicht denkbar. Ob aber diese Tugenden sich nicht, ganz im Gegensatz zu den in der ältesten florentinischen Historiographie verbreiteten Anschauungen, viel wahrscheinlicher als Erbgüter der um das Haus ihres Schutzpatrons ganz besonders zahlreich angesiedelten altadlichen Familien langobardischen Ursprungs, oder vielmehr als eine Folge der wie überall so auch hier sich für ihre Nachkommenschaft als besonders vortheilhaft erweisenden glücklichen Verschmelzung zweier Racen werden erklären lassen, dürfte für den Unbefangenen kaum zweifelhaft sein. Die Cattani Lombardi Villanis, die auf den Burgen der Florenz umgebenden Höhen sassen und von der Stadt gezwungen wurden, sich innerhalb der Mauern niederzulassen, waren, wie zahlreiche seit Alters in der Stadt ansässige Geschlechter sicherlich germanischen Ursprungs, und man glaubt eine Erinnerung an die Stammesverschiedenheit der ältesten Bevölkerung der Stadt vor sich zu haben, wenn die Stammbäume der vornehmsten Familien der Stadt bald auf Catilina bald auf vornehme sächsische

  1. Es ist wohl nicht zufällig, dass der Hinweis auf die Abstammung der Florentiner von den Römern von einem Juristen ausgeht. Die Wiederbelebung des römischen Rechtes in Italien, die Reaction gegen das germanische Recht, ist der Keim gewesen, aus dem sich die gesammte Renaissance entwickelt hat. Die wissenschaftliche Jurisprudenz ist ja auch das Bedeutendste, was der römische Geist geschaffen hat. Das lebhafte Gefühl des Zusammenhangs mit der römischen Vergangenheit, das sich in der Periode der mittelalterlichen Geschichte Italiens, die mit 1250 anhebt, überall ausspricht, steht mit der ganzen Cultur im engsten Zusammenhang, ist aber zuerst von den Juristen ausgegangen. Die Einwirkung dieser auf die Ausgestaltung der seit c. 1250 umgebildeten italienischen Staaten, „die sich ganz in romanischer Weise entwickelten“, und in denen „das durch die Longobarden, die Franken und Deutschen überbrachte Germanische verschwand“ (Leo, Geschichte Italiens II, 350), ist bekannt, wenn auch noch nicht im Einzelnen genügend untersucht. Die Ausscheidung der Adelsherrschaft in den Comunen bildete einen der charakteristischsten Züge der fortschreitenden Romanisirung Italiens im Mittelalter. Diese ist aber nicht von den nicht mehr vorhandenen Ueberresten altrömischer Familien, sondern von der durch Verschmelzung verschiedener Racen neu entstandenen italienischen Nation ausgegangen.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_013.jpg&oldid=- (Version vom 2.11.2022)