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zahlreiche Familien der Grosshändler und Fabrikanten hervorgegangen, welche die Handelsblüthe der Stadt herbeiführten: die Familien der Cerchi, Bardi, Franzesi, Gherardini, Frescobaldi, Mozzi und andere. Diese neu Zugezogenen, denen Dante mit Recht von seinem Standpunkte aus die Schuld beimisst, den Untergang des alten Florenz und seiner Tugenden herbeigeführt zu haben[1], hatten sich natürlich nicht im Kerne der alten Stadt, dem von dem römischen Mauerringe eingeschlossenen „ersten Kreise“ niedergelassen, den die ältesten Familien in burgartigen, mit hohen Thürmen und mit Zinnen gekrönten Häusern bewohnten[2], sondern waren in den Vorstädten, zumeist in den ihrer Heimath zunächst liegenden, geblieben. Sie füllten vorzugsweise das Quartier auf dem linken Ufer des Flusses, wo sich auch noch später genügender Raum für die Lagerhäuser, Fabriken, Tuchrahmen

  1. Ich hatte diese Ausführungen schon längst geschrieben, als mir in dem Buche von Herrn J. del Lungo: Dante ne’ tempi di Dante. Bologna 1888, dessen Abhandlung: La gente nuova in Firenze, zu Gesicht kam. So sehr ich auch mit den Resultaten desselben: La gente nuova banchiera e la gente nuova curiale, sono le due specie di cittadini nuovi contro cui si rivolta il Poeta S. 83 und vielen anderen Bemerkungen des die Einzelheiten der Florentiner Geschichte zur Zeit Dantes wie kein anderer Mitlebender kennenden Autors zustimmen kann, so wenig vermag ich die Gesammtauffassung des Entwicklungsganges der frühesten Geschichte von Florenz und der geschichtlichen Stellung Dantes zu theilen.
  2. Die Thürme, deren Zinnen später durch besondere Formen verriethen, welcher Partei, der Ghibellinen oder Guelfen, ihre Besitzer angehörten, wurden von Familien oder Compagnien verschiedener Familien (societates), welche sich Statuten über das Besitz- und Erbrecht an den Thürmen gaben, Vorsteher ihrer Gesellschaften, Consuln wählten u. s. w., erbaut und unterhalten. Die früheste Erwähnung dieser Thürme findet sich in einer Urkunde von 1077; die ältesten bekannten Statuten sind von 1178. Da die Namen der Consuln dieser Burggenossenschaften im 12. Jahrhundert vielfach mit den Namen der Consuln der Comune übereinstimmen, hat Santini im Arch. storico. Ital. Ser. IV, T. 20, S. 25, in einem sehr instructiven Aufsatze die Vermuthung ausgesprochen, die städtische Consularverfassung möge im Anschlusse an diese Burggenossenschaften entstanden und ausgebildet sein. Diese Vermuthung hat viel Bestechendes für sich. Die Entstehung des städtischen Organismus nach dem Tode der Markgräfin Mathilde und bei dem Mangel einer regelmässig functionierenden Reichsgewalt aus, so zu sagen, schon vorhandenen und organisirten Zellen erklärte sich so aufs Einfachste. – Je mehr sich die Stadt demokratisirte, desto gründlicher wurden diese Thürme beseitigt und diese Gedenkzeichen ihrer feudalen Zeit und deren Kämpfe vernichtet.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_020.jpg&oldid=- (Version vom 2.11.2022)