Seite:De DZfG 1889 01 062.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zu gründen, muss die Anschauung vorhanden und wirksam sein, dass eine innerlich zusammenhängende Einheit in diesen Veränderungen besteht, oder mit anderen Worten, die Anschauung von der Einheit des Menschengeschlechts und seiner Entwicklung muss vorhanden sein. Diese Anschauung fehlte durchweg im Alterthum, und wo dieselbe uns einmal entgegentritt, wie bei Diodorus Siculus, der in der Einleitung seines allgemeinen Geschichtswerkes von dem verwandtschaftlichen Zusammenhang aller Menschen spricht[1], ist sie nicht innerlich fundirt, nicht ausgebildet, nicht triebkräftig genug, um ein leitendes Eintheilungsprincip hervorzubringen. Auch die weitestblickenden Historiker auf der Höhe der alten Universalgeschichte identificirten die Geschichte des universus orbis doch mit derjenigen des Römerreiches und behandelten die verschiedenen Völker nur je nach ihrer Berührung mit jenem. Eine allgemeinere Periodisirung des historischen Stoffes ist im Alterthum nicht erreicht worden.

Erst im Gefolge des Christenthums konnte eine wahrhaft allgemeine Eintheilung aufkommen. Ueber die Schranken der nationalen Unterschiede hinwegsehend, lehrte es ja den Gedanken einer Menschheit, welche durch die gemeinsamen Erlebnisse und Schicksale des Sündenfalls, der Erlösung, des Weltgerichtes innerlichst zusammenhing. Mit der ganzen Energie dieser transcendentalen Weltanschauung erfasste man alsbald auch die Geschichte und empfand das Bedürfniss, die historischen Begebenheiten der heidnischen Welt den grossen Etappen der biblischen Geschichte einzuordnen, oder vielmehr unterzuordnen. Es kam zu dem Zwecke darauf an, gewisse synchronistische Haltpunkte zu bestimmen, und hier setzte die Arbeit der Chronologen ein.

Nach Vorgang des Sextus Julius Africanus, dessen im Anfange des 3. Jahrhunderts verfasste χρονογραφίαι uns nicht erhalten sind[2], löste Eusebius von Caesarea zuerst diese Aufgabe. In der Vorrede seines chronologisch-chronikalischen Werkes fixirt er folgende synchronistische Haltpunkte:

Die Zeiten Abrahams     –     die Zeiten des Ninus,
die Zeiten Moses     –     die Zeiten des Cecrops,
die des Labdon und Samson     –     Einnahme Trojas,

  1. S. Ad. Böhm l. c.
  2. S. H. Gelzer l. c.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_062.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)