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Dauer dreier Generationen in historischem Sinne berechnet L. auf 100 Jahre und vindicirt demgemäss dem Begriffe des Jahrhunderts die Bedeutung, dass dasselbe eine gewisse geistige Einheit historischen Geschehens darstelle, welche auf dem elementaren „Gesetz der drei Generationen“ beruhe. Dieses Gesetz, meint Lorenz, lasse sich in der Geschichte hervorragend wirkender Persönlichkeiten, wie der Regentenfamilien, besonders deutlich erkennen, doch beherrsche es nicht minder die Ausbreitung oder das Zurücktreten historischer Ideen und Anschauungen, ja die ganze geschichtliche Entwicklung. Nur müsse man dann über das Mass des Jahrhunderts hinausgehen. Dasselbe sei zwar „das objectiv begründete Zeitmass aller geschichtlichen Erscheinungen“, insofern es der chronologische Ausdruck für die geistige und materielle Zusammengehörigkeit je dreier Generationen sei; allein „für die lange Reihe geschichtlicher Ereignisse wäre das Jahrhundert eine nur zu geringe Masseinheit, als nächsthöhere Masseinheit erscheint daher die Periode von 300 und 600 Jahren, d. h. dreimal 3 und sechsmal 3 Generationen“. Diese epochemachende Bedeutung von 300 bezw. 600 Jahren erschliesst Lorenz aus der beispielsweise ausgeführten Betrachtung einiger in sich zusammenhängender Ereignissreihen, wie der Geschichte des Christenthums, und er findet diese Bedeutung gesetzmässig erklärt und begründet in der „Periodicität der Menschenproduction“, welche er für eine erwiesene Thatsache annimmt. Die Genealogie, in diesem Sinne erfasst, meint er, werde als Lehre von den physischen und geistigen Qualitäten die eigentliche „Zukunftslehre“ der Geschichtswissenschaft werden, in fünfzig Jahren werde jeder Schulknabe mit dem Massstabe der Generationenrechnung umzugehen wissen.

Wir glauben das nicht, denn wir erachten diese ganze Theorie für haltlos in ihren Fundamenten wie in ihren Beweisen.

Unerwiesen ist zunächst die Bedeutung des Generationscyklus für den geschichtlichen Verlauf. Was Lorenz an einigen Beispielen zeigt, ist nichts als die Thatsache, dass sich zuweilen der natürliche Zusammenhang mehrerer Generationen in den Ereignissen bemerklich macht; das Beweismaterial genügt noch nicht einmal, um nur von einer Regelmässigkeit der Erscheinung zu reden, geschweige denn von einer Gesetzmässigkeit derselben;

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_072.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)