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wenn wir uns erinnern, dass er mit Anerkennung der Oberhoheit des Reiches über Sicilien das Erbrecht seines Sohnes in Sicilien gefährdete. Deutschland war ein Wahlreich, der Kaiser hatte keine Gewähr dafür, dass seiner Dynastie die Nachfolge auf dem deutschen Throne erhalten blieb: ein deutscher Kaiser aus einem fremden Geschlechte konnte kraft kaiserlicher Oberlehnshoheit seinem Sohne die Herrschaft in Sicilien streitig machen[1]. Andererseits aber hatte Heinrich das lebhafteste Interesse, dass Sicilien mit dem Reiche in einer Hand vereinigt blieb: die Verbindung der beiden Reiche bildete die Voraussetzung der Weltherrschaft, die er erstrebte.

Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt meines Erachtens der berühmte Reformplan Heinrichs das rechte Verständniss. Zweierlei hat Heinrich zu erreichen beabsichtigt, erstens die Erblichkeit der deutschen Krone, und zweitens die Verbindung Siciliens mit dem Kaiserreiche. Aus den bisherigen Darstellungen wird der Zusammenhang zwischen diesen beiden Plänen nicht ersichtlich. Nach dem Vorgange Fickers[2] pflegt man sie beide als Forderungen des Kaisers an die Fürsten zu deuten, während zweifellos die Anerkennung der Zugehörigkeit Siciliens zum Reiche das Zugeständniss ist, durch welches Heinrich von den Fürsten die Erblichkeit der Krone erkaufen will. Dies ist die Auffassung der Zeitgenossen: Ansbert[3] sagt, der Kaiser habe sich bemüht, die Anerkennung der Erblichkeit zu erlangen, die Sachsen aber hätten Widerspruch erhoben, und der Plan wäre gescheitert, obgleich Heinrich versprochen hätte, Sicilien dem Reiche hinzuzufügen. Heinrich macht also den Fürsten ein Zugeständniss, wenn er die Zugehörigkeit Siciliens zum Reiche anerkennt, die entgegengesetzte Vorstellung, dass er damit den Fürsten ein

    Sicilien dankte er dem Erbrecht seiner Frau, die Kaiserwürde leitete er von der Wahl der deutschen Fürsten ab, sie konnte ihm nur die Lehnshoheit über Sicilien verschaffen; wenn er beide Rechte festhalten wollte, warum sollte er sie nicht beide in seinem Titel zum Ausdruck bringen? Ganz anders verhielt es sich mit dem Königthum in Deutschland, Italien und Burgund, welches er von demselben Rechtsact, wie die Kaiserwürde, nämlich von der Wahl der Fürsten ableitete.

  1. Wie es thatsächlich Otto später gethan hatte.
  2. De Henrici VI. imp. conatu p. 49.
  3. Fontes Austriacae V, p. 89.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_107.jpg&oldid=- (Version vom 9.11.2022)