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Anonymus bezeugte Aeusserung österreichischer Waldenser, der Klerus solle durch Verweigerung der Zehnten und Einziehung des weltlichen Besitzes zur Tagelöhnerarbeit gezwungen werden; einem den Scheiterhaufen besteigenden Meister legt der Anonymus die Drohung in den Mund, dass bei gegebener Gelegenheit die Waldenser Gleiches mit Gleichem vergelten würden. Aber auch in blutigen Gewaltthaten sollte der durch die grausamen Verfolgungen genährte Hass der österreichischen Waldenser gegen die „Pharisäer und Schriftgelehrten“ sich kundgeben: in Kematen (Oberösterreich, bei Neuhofen) und Nöchling (Niederösterreich) wurden die Pfarrer, angeblich zur Rache für die verurtheilten Waldenser jener Gemeinden, erschlagen[1]. Ueber den Ausgang der ganzen Verfolgung von 1266 berichtet die einzige uns erhaltene Quelle, die leider nur in einer späteren Bearbeitung vorliegt, dass die Inquisition nicht vollständig habe durchgeführt werden können; auch die Ermordung der eben genannten Geistlichen sei ungeahndet geblieben. Dem in Kurzem folgenden Zusammenbruche der Macht König Otakar’s und den grossen politischen Umwälzungen, deren Schauplatz mit dem Emporkommen der Habsburger die südostdeutschen Länder wurden, hatten es die österreichischen Waldenser gewiss in erster Linie zu danken, wenn nach den Verfolgungen der sechziger Jahre eine kurze Ruhepause in der gegen sie gerichteten Thätigkeit der Inquisition eingetreten ist.

In den Oesterreich benachbarten deutschen Landschaften hat wohl erst der ausserordentlich rege Eifer, welchen die Päpste Alexander IV. und Urban IV. für die Unterstützung der Inquisition bekundeten, zu den daselbst ergriffenen Massregeln gegen die Verbreitung der Häresie und insbesondere des Waldenserthums die Anregung gegeben[2]. Aehnliche scharfe Verordnungen

  1. Bibl. max. XXV, S. 264 C und E. Friess a. a. O., S. 257. Codex Vorowensis in Mon. Germ. Script. IX, S. 827: in Chempnaten plebanum et in Nachlingen plebanum cum socio occiderunt et vindicta nulla ex desidia prelatorum secuta fuit. Da es wenig wahrscheinlich ist, dass sowohl um 1266 als 1315 die Pfarrer von Kematen ermordet wurden, so ist wohl auch die Notiz über die Blutthat von Nöchling in die Zeit um 1266 zu setzen.
  2. Ueber die Thätigkeit der Inquisition um die Mitte des 13. Jahrhunderts, vergl. Lea II, S. 222 ff. Raynaldus ad a. 1255, Nr. XXXI ff. Potthast, Regesta pontificum Romanorum, Vol. II, Nr. 15 797, 15 804–5, 15 824, 15 831, 15 952, 15 958, 15 969, 15 986, 15 995 (zum Jahre 1255),
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_302.jpg&oldid=- (Version vom 16.11.2022)