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Wie unsere im Anhang mitgetheilte Untersuchung über die religiöse Stellung der österreichischen Sectirer von 1311 ff. zeigen wird, haben wir dieselben der waldensischen Secte zuzurechnen, die demnach die Verfolgungen der sechziger Jahre des 13. Jahrhunderts siegreich überdauert und namentlich in Niederösterreich ihr Verbreitungsgebiet weit ausgedehnt hatte. Den hasserfüllten Aeusserungen gegen die Hierarchie und den Cultus des Katholicismus zufolge, welche die Inquisitionsberichte den Häretikern in den Mund legen, war die Kluft zwischen ihnen und der Kirche eine noch tiefere als vordem geworden. Schon standen die österreichischen Waldenser, wie ein in St. Pölten verbrannter Anhänger der Secte aussagte, im Begriffe, ihren Glauben öffentlich zu predigen und mit den Waffen in der Hand zu vertheidigen; einer der Inquisitoren, der Kremser Dominicanerprior Arnold soll angeblich im Jahre 1318 von den Ketzern in Krems auf der Kanzel angefallen und ermordet worden sein[1]. Am deutlichsten verräth sich die Leidenschaft des von der Kirche gegen das Waldenserthum geführten Kampfes in den Anklagen, welche jetzt die österreichische Inquisition gegen die Secte erhob und welche ihren Zweck, die Waldenser zum Abscheu der frommen Gemüther zu machen, wohl vielfach erreicht haben. Satansdienst und grauenvolle Unsittlichkeit, die in unterirdischen Räumen verübt wird, diese Vorwürfe werden auf Jahrzehnte hinaus stehende Anklageartikel in den gegen die Waldenser geführten Untersuchungen, deren eigentlichen Lehrbegriff wir erst in den Inquisitionsacten des ausgehenden 14. Jahrhunderts

    einer Klosterneuburger Hs., Annales Matseenses in Mon. Germ. Script. IX, S. 825 f. und die Fassung einer Hs. des Klosters Vorau, ebenda). Die gemeinsame Quelle hatte bereits am Schlusse die Notiz über die Inquisition des Jahres 1266 und die bei dem Passauer Anonymus begegnende Ortsliste beigefügt, welche Friess (a. a. O. 228 und Archiv f. österr. Gesch. 64, S. 89, Anm. 4) und Müller (Die Waldenser S. 154 [128] ff.) auf die Inquisition der Jahre 1311 f., Preger (Beiträge S. 220 ff., Ueber das Verhältniss der Taboriten zu den Waldesiern etc. S. 27) richtig auf die Ketzerverfolgung der Jahre 1260 ff. bezog. In wenig veränderter und erweiterter Form begegnet der Bericht auch in dem Chronicon Hirsaugiense des Joh. von Trittenheim (St. Gallen, 1690, Tom. II, S. 139 f.).

  1. So berichtet F. Steill, Ephemerides Dominicano-sacrae I, 2, S. 69 f. „ex registr. conv. Crembsensis“. Andere Nachweise bei Friess S. 231.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_306.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2022)