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und der Fürbitte für die Todten erhoben[1]. Ganz ins Fratzenhafte verzerrt erscheint das Bild der österreichischen Häretiker bei Johann von Winterthur (zum Jahre 1338), der die Schilderung der schamlosen Zusammenkünfte der Secte noch durch Teufelserscheinungen verschiedener Art belebt[2]. Gemeinsam ist beiden Berichten die Angabe, dass die Ketzer heftig verfolgt und in grosser Zahl auf den Scheiterhaufen geführt worden seien. Aus anderen Quellen erfahren wir, dass 1336 in Klosterneuburg, 1338 in Enns, Steyer und sonstigen Orten zahlreiche Ketzerverfolgungen stattfanden; die Inquisition begegnete dabei, wie es scheint, mehrfach einem sehr entschlossenen Widerstande, der auch einer Reihe von katholischen Geistlichen das Leben kostete[3].

Dass es sich bei diesen Vorgängen um ein planmässiges Vorgehen gegen das immer bedrohlicher sich ausbreitende Waldenserthum

  1. Böhmer, Fontes rerum Germanicar. I, 402
  2. Ausgabe von G. v. Wyss im Archiv f. schweizerische Geschichte XI (1856) S. 129 und 130 f. Vergl. auch seinen monströsen Bericht über die brandenburgischen Ketzer des Jahres 1338 a. a. O. S. 136.
  3. Catalogus abbatum Glunicensium in Pez, Scriptor. rer. Austriac. II, 330: eo tempore (1336), praecipue autem anno 1338 in civitate Laureacensi et Styrensi aliisque vicinis locis suborta est inquisitio haereticoram et ab istis econtra persecutio catholicorum, praesertim cleri et religiosorum. Annales Mellicenses (Mon. Germ. Script. IX, 512) zum Jahre 1338: magna multitudo hereticorum in lucem deducta est, qui clericos seculares et religiosos plures occiderunt. Kleine Klosterneuburger Chronik im Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen VII, 232: 1336 hat man die Ketzer zerstört, was man ir fandt, in der Drischlergassen und in der Gaysluecken. Zum Jahre 1340 berichtet Johann von Victring (ed. Böhmer S. 438), ein Priester Rudolf habe in Reichenhall und dann wiederholt in Salzburg den Kelch vom Altare genommen und den consecrirten Wein verschüttet; desshalb zur Rechenschaft gezogen, habe er sich gegen die Taufe und das Altarsacrament ausgesprochen und sich zu der Ansicht, dass die gefallenen Engel wieder erhöht werden könnten, bekannt. Er wurde als unbussfertiger Ketzer verbrannt. Ein bestimmtes Urtheil über seine religiöse Stellung ermöglichen diese Angaben nicht. Um 1327 erklärte sich Erzbischof Friedrich III. von Salzburg dem Papste Johann XXII. gegenüber bereit, mit seinen Suffraganbischöfen und den päpstlichen Inquisitoren seiner Provinz gegen etwaige Anhänger und Vertheidiger der Lehren der Fraticellen einzuschreiten (Mayer, Beiträge zur Gesch. des Erzbisth. Salzburg II, im Archiv für österr. Geschichte 62, S. 165); ein Zusammenhang zwischen den Fraticellen, über deren Verbreitung in den österreichischen Ländern sonst nichts bekannt ist, und der oben geschilderten religiösen Bewegung in Oesterreich hat keinesfalls bestanden.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_01_311.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2022)