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in Ungarn begnügen. Dieses Auseinandergehen der beiderseitigen Interessen schien die Brüder um so mehr trennen zu müssen, als ja doch höchst peinliche Erinnerungen aus ihrer frühen Jugend zwischen ihnen standen. Hatte nicht Karl lange fürchten müssen, die Vorliebe des Grossvaters Ferdinand für den jüngeren Bruder würde ihn um das spanische Erbe bringen? Hatte er dann nicht, nachdem er die spanische Regierung angetreten, in wohl übertriebenem Argwohn mit äusserster Schroffheit und Rücksichtslosigkeit den Bruder all seiner Freunde und Vertrauten beraubt, hatte er ihn nicht bald nach seiner Ankunft in Spanien aus diesem Lande seiner Geburt und Liebe entfernt? Hatte er nicht, als während des Wahlkampfes bei den im Reiche thätigen Agenten die Ansicht aufgetaucht war, die Stimmen der Kurfürsten möchten leichter für den in Deutschland anwesenden Ferdinand zu gewinnen sein als für den fernen König von Spanien, mit schärfster Empfindlichkeit jede derartige Möglichkeit zurückgewiesen?

Solche Eindrücke der Jugend pflegen doch tief im Gemüthe zu haften, und dass das bei Ferdinand der Fall war, zeigt eine Instruction vom 8. December 1528, welche seine Vertreter beim Kaiser beauftragt, demselben vorzustellen, welche grosse und wahre Ergebenheit, Liebe und Unterthänigkeit er ihm Zeit seines Lebens bewiesen habe, vor Allem damals, als er auf Karl’s Befehl Spanien, das Land seiner Geburt und Erziehung, verlassen habe, die Liebe zur Heimath im Interesse des Bruders verleugnend. Er habe sie aber auch damals bewiesen, als er sich auf Befehl Karl’s verheirathet habe, ohne seine Gemahlin gesehen und gekannt zu haben, ohne zu wissen, ob diese Heirath ihm zusagen werde, lediglich, um einen Wunsch des Bruders zu erfüllen[1].

La grande y verdadera obidiencia, amor y umildad, in der That, sie hatte Ferdinand bei all diesen Gelegenheiten in seltenem Masse bewiesen. Während bei den berührten Verhältnissen unter den beiden Brüdern sich sehr leicht eine gefährliche Rivalität hätte entwickeln können, ordnete sich vielmehr Ferdinand mit unbedingter Fügsamkeit dem doch nur drei Jahre älteren Karl unter. Er konnte mit Recht in jener Instruction sagen, er habe

  1. Ferdinand’s Instruction für Antonio de Mendoça, Pedro de Cordova, Martin de Salinas und Gabriel Sanchez. Wien. Arch. P. A. 7.
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Diverse: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 2 (1889). Mohr, Freiburg i. Br. 1889, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_002.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2022)