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einmal zum Lebensgrundsatz gemacht habe, vor keiner Wirksamkeit, die durch feste Principien, Thätigkeit und Umsicht zu bemeistern ist, zurückzuschrecken. So trat ich in die practische Verwaltung ein, ohne dass ich – ich will es nicht leugnen – einen klaren Begriff von Verwaltung überhaupt und noch weniger von meiner Function hatte. Dennoch ging es leicht und schnell. Ich fand ein gutgeschultes Bureau, das nur in der Aengstlichkeit, Pedanterie und Gemüthlosigkeit meines Vorgängers[1] erstickt war, von dem Sie sich aus folgendem Zug das ganze Bild entwerfen können.

Er war angewiesen und ich bat ihn sehr darum, mir in den ersten Zeiten durch Rath und Erfahrung an die Hand zu gehen. Als ich daher installirt war, arbeitete er mit mir, indem ich in seiner Gegenwart die eingegangenen Dienstpapiere erbrach und mit ihm las. Der ganze Unterricht, der mir dabey wurde, bestand darin, dass er die weissgebliebenen Blätter der Papiere abriss, hübsch auf ein Häufchen ordnete und mich versicherte, dass diese zur Ersparung der Kanzleikosten zu neuen Ausfertigungen gebraucht werden könnten. An dieser Lection hatte ich genug und so suchte ich mir denn selbst zu helfen; wobey geraume Zeit meine Hauptkunst darin bestand, meine Unwissenheit zu verbergen und keine Blössen zu geben. Indess war durch den Umschwung der Dinge alles aus dem gewöhnlichen Geleise herausgetreten, und täglich bildeten sich neue Verhältnisse, die mit den Mitteln der Routine nicht zu überwinden waren. Menschenkenntniss, allgemeiner Takt, Besonnenheit, Muth und Entschlossenheit mussten hier das Meiste thun. An allem diesem fehlte es nicht, wie ich wohl sagen darf; denn meine Verwaltung nahm gleich einen ungewöhnlichen Schwung, der mich vor allen meinen Collegen auszeichnete.

    Beamter „höherer Art“. Es liegen mir auch noch andere ähnliche Aeusserungen von Gruner vor.

  1. P. J. Boosfeld, der ehemalige kurcölnische Hofkammerrath und spätere französische Unterpräfect in Bonn. Der General-Gouverneur Justus Gruner schrieb am 25./7. Mai 1814 aus Coblenz an Rehfues: „Da ich den Herrn Kreisdirector Boosfeld zu Bonn zum Präsidenten des dortigen Tribunals bestimmt habe, so ersuche ich Ew. Wohlgeboren, an dessen Stelle das Kreisdirectorium zu übernehmen. Die nähere Anleitung über Ihren Geschäftskreis werden Sie ohne Zweifel in Bonn vorfinden, und was Ihnen sonst zu wissen nöthig ist, von dem Hrn. Boosfeld erfahren, welchen ich ersucht habe, Ihnen so lange in den Geschäften an die Hand zu gehen, bis seine Anstellung als Tribunal-Präsident erfolgt.“ Ueber Boosfeld vergl. H. Hüffer in den niederrhein. Annalen XIII/XIV, S. 118–146, 201–211. Nach Hüffer’s Darstellung dürfte Rehfues’ Urtheil über Boosfeld’s Charakter etwas zu schroff ausgefallen sein.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1889, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1889_02_451.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)