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Zur Beurtheilung Georg Grote’s und seiner Griechischen Geschichte.
Von
Robert Pöhlmann.


In einer akademischen Rede hat Dietrich Schäfer als das „eigentliche Arbeitsgebiet“ der Geschichte die Entwicklung des Staates bezeichnet, deren Verständniss andererseits – nach seiner Ansicht – wesentlich dadurch gewonnen wird, dass man Werden, Wachsen und die Bedingungen der Macht des Staates erforscht. Denn das Wesen des Staates sei die Macht und die Politik die Kunst, ihn zu erhalten.

Ich lasse hier die Frage ganz unberührt, ob nicht eine solche Abgrenzung der Aufgabe des Geschichtschreibers überhaupt eine zu enge ist. Diese Frage hat bereits in der vortrefflichen Schrift Gothein’s „über die Aufgaben der Culturgeschichte“ (1889) eine meines Erachtens vollkommen zutreffende Beantwortung gefunden. Aber ist auch nur vom Standpunkte der „rein politischen“ Geschichte aus diese Begrenzung des Arbeitsgebietes zulässig?

Man hat gegen Schäfer schon mit Recht bemerkt, dass aus der blossen Machtentfaltung, d. h. aus der Fähigkeit des Staates, seine Kräfte zu concentriren und nach Aussen zu verwenden, unmöglich das Wesen des Staates am besten zu erkennen ist, weil dieselbe gar nicht der Staatszweck sein darf, sondern nur die Vorbedingung einer fruchtbaren Thätigkeit des Staates ist[1]. Diese Thätigkeit ist aber auf eine Ausgestaltung des Gesammtlebens

  1. Gothein a. a. O. S. 9.
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Quidde (Herausgeber): Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg i. Br. 1890, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_001.jpg&oldid=- (Version vom 18.10.2022)