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eines Kranken büssten die Londoner Juden 1131 £ 2000; an die angebliche Kreuzigung des hl. Wilhelm zu Norwich, um 1144, knüpfte sich dann bis 1279 eine Reihe von acht Blutbeschuldigungen, die Vf., wo Einzelheiten bekannt, als unrichtig erweist, sonst als in sich widersprechend und niemals begründet betrachtet: die Juden selbst riefen stets zuerst das ordentliche Gericht an. Neu erscheint hier aus Urkunden die Klage der Juden gegen ungerechte und bestochene Richter, darunter die wohlbekannten Peter von Rievaulx, Stephan von Segrave und Robert Passelew [s. u. S. 215]. 1237 wurden Diebe, die Norwicher Judenhäuser angezündet hatten, bestraft. Dass wegen angeblicher Kreuzigung des hl. Hugo, 1253, 18 Juden gehangen und 80 eingekerkert wurden, weiss man aus Matheus Paris. Rye zeigt nun, wie über letztere, die im Londoner Tower sassen, eine Jury von 24 Rittern aus der Grafschaft und 24 Bürgern aus der Stadt Lincoln berufen ward, und wie die Urkunden, die über das Gut jener Gehängten verfügen, die Kreuzigung nur mit „ut dicitur“ erzählen. Die Minoriten traten für die Gefangenen ein, und der König verlieh ihnen bald darauf besonderen Schutz[1].

Der historisch weitaus wichtigste Aufsatz des Bandes ist Charles Gross[2], The Exchequer of the Jews of England in the Middle ages, p. 170–230. Die Normannische Regierung war so stark, dass sie die Juden gegen den Willen der Bürger in den Englischen Städten hielt und besteuerte und gegen den Willen des Clerus Jüdischen Wucher gesetzlich erlaubte. Namentlich aber war nur bei einem starken Königthum das Exchequer der Juden möglich. – Der dritte Kreuzzug, für den das Land bisher unerhörte Baarsummen schaffen musste, zeige die wirthschaftliche Wichtigkeit der Juden, ihre damalige Beraubung beweise die Nothwendigkeit königlichen Schutzes [der aber doch jeden Volksfremden (Herren- und Sippelosen) und die Juden bereits im Fränkischen Reich von Rechtswegen umfasst]; und aus diesem entstehe das Besteuerungsrecht [das doch der Frankenkönig, also der Normannenherzog, über Kaufleute hat] und aus dessen willkürlichem

  1. Als Florenz von Worcester darf nicht der von Thorpe unpassend hinter ihm gedruckte Fortsetzer aus Bury St. Edmund’s citirt werden, vgl. Mon. Germ. XXVIII, 584. Dass Jocelin’s Werk über St. Robert so kurz spricht, liegt daran, dass er Miracula s. Roberti [ib. XXVII, 325] verfasst hatte, nicht etwa daran, dass er dieses Martyrium, ebenso wenig wie Richard von Devizes das von 1192, bezweifelt hätte! – Die (literarisch ja wundervolle) Rede des Joceus (d. i. Jomtob aus Joigny) zu York 1190 ist doch nur Newburgher Erzeugniss.
  2. Vf., aus Troy (New-York), auf Deutschen Hochschulen gebildet, promovirte 1883 zu Göttingen auf die treffliche Untersuchung „Gilda mercatoria… zur Engl. Städteverfassung“. Hoffentlich wird er später einmal festländische Verhältnisse zum Vergleich heranziehen z. B. die (zwei Menschenalter später als in England) in Köln für die Juden abgesonderte freiwillige Gerichtsbarkeit.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_200.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2023)