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schwächen, indem der Besitzer seine Sicherheit königlichem Gesetz und Gericht verdankte; doch half ihm dabei die Volksmeinung, eingenommen für Ruhe und schnellere und leichtere Rechtspflege. Das Verfahren auf „neuerliche Entsetzung“ war summarisch scharf und konnte laut Bracton vom Entsetzten gegen den Eigenthümer nach bloss 4 Tagen ungestörter Occupation mit Erfolg angerufen werden. (Zu vergleichen ist [?] die Deutsche[1] Sessio triduana, die dreitägige Frist, innerhalb der die Lex Salica dem Verfolger seines gestohlenen Viehes das Beweisrecht zuspricht, und die Londoner Gilde den Eigenthümer von verirrtem Vieh entschädigt.) Der „Eindringling“ beim Todesfall des Besitzers erlangt dies Klagerecht gegen den rechtmässig nachfolgenden Eigenthümer erst, wenn er Jahr und Tag von diesem ungestört sass. Beschränkt war die Besitzklage von Anfang an auf Liberum tenementum, womit die Zeit Heinrich’s II. nur meinte den Gegensatz gegen Bauergut, das die Krone noch nicht der Patrimonialjustiz zu entziehen wagte; aber später verstand man liberum enger und schuf Raum für Einreden. Und Bracton schon schiebt als Sinn jener viertägigen Frist unter, der besitzlose Eigenthümer leide für seine Nachlässigkeit, dass er nicht wenigstens animo solo zu besitzen fortfahre (was er aus Missverständniss der Römischen Lehre möglich hielt); er bahnt den Weg zur späteren Auffassung, die zur Anwendung der „Neuen Entsetzung“ gegen den Eigenthümer einen immer strengeren Rechtstitel des Liberum tenementum fordert, bis endlich der Besitzer fast nie mehr sich damit gegen den Eigenthümer schützen kann. Dies erläutern Beispiele aus Gerichtsprotokollen von 1292–1376. Indem die Richter, verführt durch Anwaltkniffe, die Besitz schützende Klage auf „Neue Entsetzung“ aus dem Common law verschwinden liessen, ward man Ende 14. Jhs. durch Landoccupation aus Privatgewalt so beunruhigt, dass seit 1381 häufig Gesetze dagegen auftreten. Vf. untersucht zum Schluss scharfsinnig die Ursachen des Missbrauchs und Verfalls jener Besitzklage. – F. W. Maitland, Possession for year and day (Law QR July ’89, 253). Vf. entscheidet zwar nicht die Frage, wie der Rechtssatz entstand, dass der Jahr und Tag (d. h. bis zum Ding nach 1 Jahre) ungestörte Besitz zu Eigenthum werde oder doch Processvortheile gewähre, zeigt aber, dass Englisches Recht der Anschauung widerspreche, als hätten die Germanen vor Römischem Einfluss eine allgemeine einjährige Usucapio an Land gekannt: bei den Angelsachsen begegnet kein Jahr und Tag, keine Verjährung, im Common law keine kurze und keine absolute; Heinrich II. schützt Besitz ohne Rücksicht auf Jahr und Tag. Und die Rechtssätze mit Jahr und Tag, deren Vf. mehr als Coke verzeichnet, sind z. Th. nicht sehr alt, z. Th. deutlich aus Gesetz und Verordnung, nicht aus Volksbewusstsein geflossen: die Befreiung des Villans durch ruhiges einjähriges Stadtbewohnen entspringe z. B. dem Privileg der städtefreundlichen Krone. Freilich aber kommt Jahr und Tag in den sog. Gesetzen Wilhelm’s und Heinrich’s um 1100 und Stadtrechten des 12. Jhs. vor [vgl. Stubbs zu Roger Hoveden II, xxxviij]; dass Privilegien nach c. 1260 Jahr und Tag

  1. Vf. bekennt Heusler’s „Gewere“ viel zu verdanken.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_216.jpg&oldid=- (Version vom 26.10.2022)