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des Heiligencultus und der Reliquien- und Bilderverehrung[1] nicht die übereinstimmenden Waldensischen Lehren, wenigstens zum Theil zur Voraussetzung hatten. Müssen wir nach unseren früheren Auseinandersetzungen das Waldenserthum um 1370 seit Generationen in weiten Kreisen Oesterreichs und Böhmens uns eingewurzelt denken, so ist es anderseits leicht verständlich, dass die steigende religiöse Erregung jener Zeit, welche Wallfahrer in unerhörter Anzahl zur Gewinnung von Ablässen und Verehrung der Reliquien nach der Böhmischen Hauptstadt führte[2], auch der gegen diese Seiten des kirchlichen Lebens gerichteten Waldensischen Opposition erhöhten Einfluss verliehen hat. Ausser allem Zweifel ist die tiefgehende Waldensische Beeinflussung des Böhmischen Geistlichen Jacobus, der gleichzeitig mit Mathias von Janow am 18. October 1389 eine Reihe von ketzerischen Lehrsätzen vor der Prager Synode zurücknahm[3]. Er hatte u. a. die Wirksamkeit der Fürbitten der Heiligen und der Gottesmutter, den Nutzen der guten Werke für die Todten und des Sichbekreuzens geleugnet, jede Verehrung der Reliquien und Bilder, die zu Ehren der Heiligen eingesetzten Fasttage, die für die Verehrung der Muttergottesbilder gewährten Ablässe und die Breviergebete verworfen, die Autorität der Kirchenväter bestritten. In Uebereinstimmung mit Mathias von Janow trat er für den möglichst häufigen Abendmahlsempfang der Laien ein. In gleicher Weise an die leidenschaftliche Opposition der Oesterreichischen Waldenser von 1315 wie an den späteren Bildersturm der Taboriten klingt der Satz des Jacobus an, die Reliquien dürfe man mit Füssen treten und verbrennen; auch das Muttergottesbild hatte

  1. Vgl. darüber namentlich die Darstellung von Loserth (Hus und Wiclif S. 41 ff.), welche die früheren Auffassungen vielfach berichtigt.
  2. Benesch v. Weitmühl, Scriptor. rer. Bohem. II, 401 f.: eodem anno (1369) in festo ostensionis reliquiarum, tantus fuit concursus hominum de alienis partibus, ut illa placza magna in nova civitate prope Zderazium videretur undique repleta hominibus. Talem populum in unum congregatum nullus unquam vidit hominum, ut communiter referebatur ab omnibus – – – eodem anno octo diebus ante festum assumptionis b. virginis, et in ipso festo, iam expirante anno gratiae seu indulgentiarum, tantus fuit concursus hominum ad ecclesiam Pragensem, qualem nulla meminit aetas.
  3. Höfler, Concilia Pragensia S. XLIX; 37–39. Jacobus hatte auch seine schroffe Bekämpfung der Lehre von der unbefleckten Empfängniss Maria’s zurückzunehmen.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_340.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2022)