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und Abschwörung einen falschen Vornamen angegeben und eine Glaubensgenossin ebenfalls dazu verleitet; ferner wollte sie anfänglich seit zehn Jahren keinem Waldensischen Meister mehr gebeichtet haben, während sie später, durch das unvorsichtige Geständniss ihres Mannes dazu gedrängt, zugeben musste, dass sie noch im Sommer 1400 einem Meister ihre Beicht abgelegt habe. Einen vor den Inquisitor citirten Waldenser aus der Umgebung von Hartberg hatte sie verleitet, der Vorladung nicht Folge zu leisten und kein Geständniss zu machen. Endlich sollte sie nach ihrer Abschwörung und nach Anhörung einer Predigt der Inquisitoren die Aeusserung gethan haben, dass erst diese Predigt sie wirklich bekehrt habe; daraus zieht die grausame Logik der Inquisitoren den Schluss, dass ihre Abschwörung eine trügerische gewesen sei! Obwohl offenbar keine der Angeklagten der, wenn auch nur äusserlichen, Aussöhnung mit der Kirche widerstrebte, wurden sie doch durch das Urtheil der Inquisitoren als rückfällige Ketzerinnen dem weltlichen Arm zur Bestrafung ausgeliefert.

Ueber die Wirksamkeit des Inquisitors Petrus in Wien ist uns ein interessantes Zeugniss in dem über einen gewissen Andreas Hesel von Wien im Jahre 1403 gefällten Urtheil erhalten[1]. Dasselbe macht uns mit einer langen Reihe von ketzerischen Meinungen der genannten Persönlichkeit bekannt, welche ein sonderbares Gemisch von unverkennbar Waldensischen Lehren mit oppositionellen Sätzen von ganz anderer Richtung darstellen. Hesel hatte die Reliquien- und Heiligenverehrung, die kirchlichen Weihen, die Ablässe, die klösterlichen Gelübde, die Fürbitten für die Verstorbenen und den päpstlichen Primat angefochten; daneben entwickelt er aber auch eigenthümliche Anschauungen Über die Trinität und über die Person und das Leiden Christi, leugnet den Sündenfall Adam’s und dessen Vertreibung aus dem Paradies, bestreitet die Wirksamkeit der kirchlichen Taufe, die Verwandlung

    zu stellen, und wiederholt dies im Hause seines Schwiegervaters Leupold am Erlach (Name zweier Höfe bei Pöllau und bei Stubenberg, wenig westlich von Hartberg).

  1. Von mir benutzt nach Ms. chart. misc. fol. 51 der Würzburger Univ.-Bibliothek; während der Drucklegung erschienen Döllinger’s Beiträge zur Sectengeschichte des Mittelalters, in welchen (II, 343) das Urtheil in abgekürzter Form, „aus cod. Bavar. Monac. 329“, mitgetheilt wird.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_379.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)