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Es ist keine anfängliche Voraussetzung, welche meine Auffassung und Erklärung der Denkmäler bestimmt, sondern ein Postulat, eine letzte, über die methodische Behandlung des Materiales hinausgreifende Forderung, welche sich durch den zwingenden Zusammenhang der Denkmälerreihe aufdrängte. Es war ein Versuch zur Erklärung der persönlichen Beziehungen, der ausgesprochen wurde, weil sich die Daten dazu von allen Seiten anzubieten schienen, und weil, falls ich diesen Schluss nicht angedeutet hätte, gewiss liebenswürdige Kritiker nicht verfehlt hätten, diese „ganz neue Lösung“ für sich aufzufinden, ungefähr wie Prof. Frey seine Erklärung für Pulía aus palus nach Bongi’s Vorschlag „dal terreno paludoso del Serchio“. Sonst habe ich in meinem Buche ausdrücklich betont, wie wenig Gewicht ich auf diese Combination lege, „welche den Gegensatz seiner Kunst zu den früheren Sculpturen des Domes (zu Lucca) nur noch auffallender erscheinen lasse“ (S. 137). Wie objectiv ich der ganzen Streitfrage gegenüber stehe, bezeugt wohl die Thatsache, dass ich gelegentlich Material für die Apulische Hypothese beigebracht (Melozzo da Forlì S. 374) und die Art, wie ich die Sculpturen am Pisaner Baptisterium besprochen habe, aus der sogar Frey’s Apulische Colonie in Pisa erwachsen könnte! Gegen die entstellende Ausdrucksweise, wie Prof. Frey meinen Standpunkt zu charakterisiren versucht, muss ich kurzweg protestiren. Man wird fast genöthigt anzunehmen, dass Prof. Frey nicht im Stande ist, fremde Ansichten correct wiederzugeben.

Seine Behauptung, die Streitfrage nach der künstlerischen Herkunft Nicola Pisanos sei von der nach seinem „Geburtsort“ nicht zu trennen[1], beweist nur, dass er den Sinn meines ganzen Buches gar nicht begriffen hat, oder dass er, völlig unzugänglich für die Sprache der Denkmäler, auf dem veralteten Standpunkt stehen geblieben ist, als liesse sich die Geschichte einer Kunst aus archivalischen Notizen construiren. Jetzt verspricht er freilich den Zusammenhang Niccolo’s mit Süditalien auch durch die Denkmäler nachzuweisen; aber die bisherigen Proben seiner Behandlung von Denkmälern erwecken leider wenig Hoffnung auf befriedigende Erfüllung dieses Versprechens, und er wird sich nicht der Täuschung hingeben, dass er allein diese Denkmäler kenne.

Das Einzige, worauf es für die Kunstgeschichte ankommen kann, wäre eine sorgfältige und ausgiebige Würdigung der bildnerischen

  1. Wie weit er diese Ueberzeugung mit dem Geständniss vereinigen kann, es sei ihm ganz gleichgültig, woher Niccolo stamme, mag ich nicht entscheiden. Vgl. auch Anm. 1 seines letzten Artikels (p. 357).
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_374.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2022)