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seinen Herrn. König Wilhelm von Holland, sonst ein Mann von guten Absichten, der sich auf dem Gebiete des geistigen Lebens, speciell des Bildungswesens zu wirklich weitherzigen Grundsätzen bekannte, veranstaltete eine Reihe wenig geeigneter Reformen und zog sich so das Missfallen der Belgier zu, indem er zugleich eine hohe Steigerung des Nationalgefühls bei ihnen bewirkte. Daraus entstand die Erhebung von 1830 und das gegenwärtige Königreich Belgien.

Die Revolution war der Ausgangspunkt für eine Bewegung auf historischem Gebiet, die seitdem nicht mehr zum Stillstand gekommen ist.

Unterricht. Die Geschichte nimmt heute in Belgien einen breiten Raum in dem Unterrichtsprogramm ein. Im Verlaufe des Gymnasialunterrichts, von der 7. Classe bis zur obersten, absolvirt der Schüler zweimal, unter verschiedenen Gesichtspunkten, den Cyclus der allgemeinen Geschichte, zweimal auch der Geschichte seines Landes.

Schlimmer stand es bis in die neueste Zeit hinein um den Universitätsunterricht. Da alle Zweige des historischen Faches zu der Vorbereitung für das philosophische Candidatenexamen gehörten, so wurden die historischen Vorlesungen immer nur auf Studenten des ersten Jahres berechnet, deren Vorbildung oft ungenügend war, und die beim Hören der Vorlesungen keinen andern Zweck verfolgten, als möglichst schnell zu ihrem Fachstudium überzugehen und die juristische Doctorwürde zu erlangen. Und selbst für die, welche das Doctorat in der Philosophie erstrebten, kam die politische Geschichte wenig in Betracht, kaum mehr als die meisten jener Nebenfächer, deren Unterricht nur sehr unvollkommen in privaten Vorlesungen organisirt war.

Das gesammte historische Gebiet wurde also in einem Jahre durcheilt, die Studirenden lernten die Wissenschaft in fertiger Gestalt kennen, und nicht jene Summe wissenschaftlicher Tradition, die wir Methode nennen. Junge Leute, die Gelehrte werden wollten, mussten sich auf fremden Universitäten in das kritische Forschungsverfahren einführen lassen, das sie daheim nicht lernen konnten.

Eine Besserung dieser traurigen Verhältnisse wurde jedoch vor einigen Jahren erzielt. „Praktische Curse für Geschichte“ wurden eingerichtet nach dem Muster der Deutschen Seminare, dank dem Eifer und der Hingabe mehrerer Professoren. Warnkönig hatte zu Gent schon 1832 ein Beispiel gegeben, aber keine Nachfolger gefunden. Im Jahre 1874 errichtete Kurth ein solches Seminar in Lüttich, nach ihm thaten andere dasselbe, und heute haben wir denn mehrere an jeder unserer vier Universitäten. Tüchtige Arbeiten sind

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_377.jpg&oldid=- (Version vom 18.12.2022)