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Auf diese Gegenüberstellung haben bereits v. Wächter[1], Wilda[2], Maurer[3] aufmerksam gemacht. In diesem Sinne kann man sagen: Die Rechtsordnung begreift durch ihre positive Ausdehnung in sich, wie weit der Friede reicht; sie setzt die Grenzen für das Gebiet der Selbsthilfe; aus ihr lässt sich die Unterscheidung gewinnen zwischen der Selbsthilfe, die gestattet ist, beziehungsweise, die nur den Frieden verletzt, und jener, die als widerrechtliche Gewaltthat gilt. Dagegen lässt sich hieraus nicht der Schluss ziehen, als handle es sich dabei nur um eine Färbung der Ausdrücke.

Als „Friedensbrüche“ im eigentlichen Sinn erscheinen diejenigen Verletzungen, die ein Recht der Fehde, eventuell einen Anspruch auf Busse begründen. Es sind Verletzungen, welche den Thäter und die Seinen nur der Feindschaft des Verletzten und seiner Sippe preisgeben, so dass es diesen gestattet ist, im Wege der Selbsthilfe Rache zu üben, ohne dadurch ihrerseits einen Friedensbruch zu begehen. „Rechtsbrüche“ dagegen sind normwidrige schuldhafte Handlungen, die wegen ihrer Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundlagen des Gemeinlebens durch das bestehende Recht mit öffentlicher Strafe bedroht sind. Der Verbrecher hat sich die Gesammtheit der Volksgenossen zum Feinde gemacht.

Charakteristisches Merkmal der ganzen Friedensbewegung ist nun das Aufgehen der Friedensbrüche in den Rechtsbrüchen. An Stelle der Fehde und Busse tritt allgemein die öffentliche Strafe. Und gerade hier ist es sehr bezeichnend, dass auch das Rechtsbewusstsein des Volkes die allgemeine Einführung der Strafe auf die Gottesfrieden zurückführt. Es ergibt sich dies aus einer Stelle in der Kaiserchronik[4], in der von Ludwig dem Frommen erzählt wird: „Mit râte alsô wêslîchen rihte der kunic dô daz rîche. er gebôt einen gotis vride: nâch dem scâchroube irteilde man die wide, nâch dem morde daz rat (hei welich vride dô wart!), dem roubaere den galgen, dem diebe an die ougen, dem

  1. v. Wächter, Beilagen zu Vorlesungen über das Dt. Strafrecht. 1881. Beil. 22: Das Germ. Fehderecht und die Compositionen. S. 79.
  2. Wilda, Geschichte des Dt. Strafrechts. I S. 268.
  3. K. Maurer, Ueber Angelsächs. Rechtsverhältnisse: 4. Das Fehde- und Wergeldwesen. Kritische Ueberschau. III S. 30.
  4. Massmann, Der Keiser und der Kunige buoch. II S. 397 f.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_015.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2022)