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Excurs 2.
Bajulus in England und in Frankreich.

Die Verfolgung Normannischer Amtstechnik in England und Frankreich liegt ausserhalb der Aufgabe dieser Abhandlung.

Man pflegt anzunehmen, dass diejenigen Sätze der reformirten Französischen Amtstechnik, welche mit Römisch-rechtlichen Bestimmungen übereinkommen, aus dem Römischen Gesetzbuch entnommen seien, wahrscheinlich ist es aber doch, dass das Vorbild der Normannischen Verfassung, wie für Friedrich I., so für die Französischen Könige massgebend gewesen ist. Allerdings aus dem Namen des Bajulus ist nichts zu schliessen, er ist in Frankreich viel älter, als eine Einwirkung der Normannischen Verfassung möglich ist. Er bezeichnet überhaupt den Beamten und wird im Allgemeinen für den rechenschaftspflichtigen, absetzbaren Beamten der Grundherrschaft verwendet. Die neueren Staatsbildungen nehmen in Frankreich, Spanien und in England ihren Ausgangspunkt von der königlichen Domäne, diese ist nach den Grundsätzen der grundherrlichen Verfassung organisirt, sie wird von rechenschaftspflichtigen Ministerialen verwaltet.

Das entscheidende Moment, welches den Uebergang zu den neueren Staatsbildungen bezeichnet, ist darin enthalten, dass mit der Verbreitung der Geldwirthschaft und der Schriftkunde die Rechenschaftspflichtigkeit und Controle der Beamten auf weite Gebiete ermöglicht, und dass so die Organisation eines Grossstaates auf neuer Grundlage erleichtert wurde. Bei diesem Uebergang haben die Grundsätze Byzantinisch-Normannischer Amtstechnik gute Dienste gethan. In den Gesetzen Ludwig’s d. Heiligen finden wir die Bestimmung, dass der Bailli, welcher sein Amt theils in Pacht, theils in Sold verwaltet, jährlich wechseln soll; er darf während seiner Amtszeit nichts erwerben, er darf nicht aus dem Orte stammen, in welchem er sein Amt versieht, er muss sich beim Antritt seines Amtes verpflichten, keine Geschenke anzunehmen, ausser etwa Nahrung für einen Tag (geradeso wie der Sicilische Bailli); er hat 40 oder 50 Tage nach Ablauf seines Amtes am Ort zu bleiben, um sich zu verantworten. Der Bailli durfte sein Amt erst nach 3 Jahren wieder bekleiden, eine Bestimmung, die in Sicilien zwar nicht gesetzlich fixirt, aber thatsächlich in Uebung war[1].

  1. Vgl. die Urkunde bei Huillard-Bréholles IV p. 55: annuales judices, qui judicatus officium anno proximo precedenti non gesserint, und dazu Brünneck, Sicilische Stadtrechte p. 220, das Citat aus De Vio, Privilegia Panormitana p. 67, und das Stadtrecht von Syracus, Constitut.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_068.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2022)