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arte e mestieri) gewonnen habe. Männer und Frauen hätten sich dieses Wohlergehens erfreut. Die schönen Maifeste hätten die jungen Männer an verschiedenen Orten der Stadt in prächtig ausgestatteten Höfen (Corti) gefeiert, Frauen und Mädchen seien in festlichen Zügen, Blumen in den Haaren und Reigen tanzend, durch die Strassen gezogen. Und das erzählt der gute, sonst etwas philisterhafte Popolano, nachdem er kurz vorher berichtet hat, wie zahlreiche Kriege, eine arge Hungersnoth (1286) und Brände und Ueberschwemmungen durch den Arno die Stadt (1287–88) heimgesucht hätten!

Gewiss hat eine jede dieser Auffassungsweisen, die des grossen, persönlich aber tief verstimmten Dichters und die des wackeren Geschäftsmannes und Chronisten ihre Berechtigung. Aber so wenig der auf die überall herzustellende Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit, auf die Abstellung alles gewaltsamen Wesens in Staat und Gesellschaft gerichtete Sinn der Florentiner, welcher sich in das für die Zeitstimmung so überaus charakteristische Schlagwort zusammenfasste, dass die „Raubsucht des Wolfes und die Zahmheit des Lammes gleichen Schritt halten und beide in einer Hürde friedlich und ruhig miteinander wohnen sollten“[1], eines idealen Hintergrundes entbehrt, und er sich der bei der Eindämmung alles Frevels nicht zu vermeidenden Härten unbewusst geblieben ist, so wenig ist auch zu verkennen, dass die Machtentfaltung der Stadt und ihrer Bürgerschaft unmöglich gewesen wäre, wenn diese sich nicht im Besitze grosser äusserer Mittel befunden hätte, wenn sie nicht in rasch wachsendem

  1. Zur Motivirung eines [ungedruckten] Statuts von Florenz von 1291 heisst es: – – – ut cives et comitatini Florentiae non opprimantur, sicut hactenus oppressi sunt, et ut hominum fraudibus et malitiis, que circa infrascripta committi solent, debitis remediis obvietur et resistatur, quod quidem videtur nullo modo fieri posse, nisi juxta sapientis doctrinam, dicentis quod contraria suis purgantur contrariis, ideoque volentis lupinas carnes salsamentis caninis involvi et castigari debere, ita quod lupi rapacitas et agni mansuetudo pari passu ambulent, et in eodem ovili vivant pacifice et quiete, infrascripte constitutiones – – – edita fuerant. Die Phrase von der rapacitas lupi et mansuetudo agni, unter der die Gegensätze von Adel und Volk symbolisirt sind, kehrt in den Einleitungen der Volksstatuten (statuta sacrata et sacratissima) von Bologna, Pistoja und Prato wieder. In Prato hatte man auch eine Stadtfahne mit einem Bilde angefertigt, auf dem Wolf und Lamm zusammen weiden. Wir kommen später hierauf zurück.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_073.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2022)