Seite:De DZfG 1891 05 128.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

hatte viele und mächtige Feinde bei Hofe, die aus jedem Versuche seiner Einmischung Kapital gegen ihn geschlagen hätten.

Zieht man heutzutage die über den Fall erhaltenen Nachrichten unbefangen in Erwägung, so kann man sich der Einsicht nicht erwehren, dass ein Beweis für Lord Dudley’s Schuld nicht vorliegt. Wie aber dachten Dudley’s Zeitgenossen in dem Punkte? – Die es zunächst angeht und die ihre Kenntniss aus Berichten erster Hand schöpfen, nehmen seine Beschuldigung ziemlich ungläubig auf; die nach Hörensagen urtheilen, machen Andeutungen, geben Winke, aus denen sich schliessen lässt, dass sie an seine Schuld glauben, oder den Glauben an dieselbe vorgeben und bei anderen voraussetzen. Für beide Sorten fehlt es nicht an, sozusagen, classischem Zeugnisse.

Als im Jahre 1565 der zum Grafen von Leicester erhobene Robert Dudley der Königin Maria Stuart von Elisabeth zum Gemahl vorgeschlagen war, äusserte Chantonnay, der Spanische Gesandte am Wiener Hofe, zum Kaiser: Es sei anzunehmen, die Königin von Schottland werde sich des Sturzes erinnern, den die Frau Mylord Robert’s über die Treppe gethan habe. Der Kaiser erwidert darauf scherzend: Maria Stuart würde einen Gemahl nicht geschenkt, sondern nur auf einige Zeit geliehen erhalten[1]. Man sieht, dass Chantonnay mit seiner Erwähnung des Treppensturzes auf Leicester’s Schuld hinzielt und der Kaiser dies weder ablehnt noch gutheisst. – Um dieselbe Zeit, in welche dieses Gespräch fällt, wurden die Unterhandlungen über die Heirath Erzherzog Karl’s mit Elisabeth, auf welch letztere jede Schuld Leicester’s einen Schatten geworfen hätte, kaiserlicherseits wieder aufgenommen und durch Entsendung eines eigenen Botschafters nach London ernstlich betrieben.

Als die Statthalterin der Niederlande, Margaretha von Parma, durch deren Hände die Correspondenz der Spanischen Botschaft in England mit Philipp II. ging, die Depesche Quadra’s vom 11. September zu lesen bekam, hat sie ihre Gedanken darüber in einem Schreiben an den König Philipp niedergelegt[2]. Von Entrüstung oder Erstaunen über den durch Quadra mitgetheilten

  1. Granvelle, Pap. d’Etat, ed. Weiss. IX, 132.
  2. S. dasselbe, vom 7. Oct. 1560, bei Gachard, Correspond. de Marg. d’Autriche, Duchesse de Parme avec Phil. II. Bruxelles 1867. I, 310 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_128.jpg&oldid=- (Version vom 19.12.2022)