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Drohungen untermischt waren: er möge in sich gehen und ihre Majestät durch seine fortwährende Huldigung nicht länger verhindern, einen Gemahl zu wählen, auf dass dem Königreiche endlich ein legitimer Erbe werde. Gerührt oder eingeschüchtert zog sich Lord Robert, „schmerzerfüllt über den Verlust des Anblicks einer so grossen Fürstin“, vom Hofe zurück; doch nach 14 Tagen ward ihm seitens der Königin Befehl, wieder zu erscheinen. Nun aber bestürmten ihn Norfolk und die übrigen mit so heftigen Vorstellungen, dass er sich neuerdings entfernte und über einen Monat ausblieb. Als er hierauf zum zweiten Male wiederkehrte, wollte man bemerken, dass zwischen ihm und der Königin, „die Sachen bedeutend abgekühlt wären; allein viele glaubten, es sei dies nur scheinbar der Fall“.

So weit der Bericht eines Venezianischen Botschafters in Frankreich[1], dem die Geschichte von dem dort beglaubigten Englischen anvertraut worden; anderen Nachrichten zufolge wäre die hier erwähnte zeitweilige Entfernung Lord Robert’s aus Eifersucht erfolgt, die er, wirklich oder zum Scheine, auf den Grafen Ormond geworfen hätte[2]. Wie dem auch sein mag, des Günstlings Stellung blieb unerschüttert, der Königin Liebe zu ihm hielt unverändert Stand.

Diese Liebe muss sinnlichen Ursprungs gewesen sein; denn an ihm war überhaupt nichts als seine Schönheit, und wenn Schönheit gleich auf den äussern wie den innern Sinn wirkt, „so dass, wer sie erblickt, sich mit sich selbst und mit der Welt in Uebereinstimmung fühlt und nichts Uebles ihn anwehen kann“[3], so stellt sich doch das Uebel von selbst ein und hört jene Uebereinstimmung auf, wenn zur reinen Wirkung der Schönheit der Reiz der Begierde hinzutritt. Ob nun Elisabeth durch solche natürliche Begierde auch bis zu sinnlicher Hingebung getrieben worden, ist keineswegs ausgemacht. Es fehlt nicht an der Behauptung, dass sie des Sinnengenusses dieser Art gar nicht fähig war. Am deutlichsten und anatomisch am begreiflichsten hat Ben Jonson, der Zeitgenosse Shakespeare’s, dies ausgesprochen[4]. Man muss

  1. Dep. Giac. Surian, Paris 11. Mai 1566.
  2. Mignet, Hist. de Mar. Stuart I ch. 4.
  3. Wahlverwandtschaften I, Cap. 6.
  4. Notes on Ben Jonson’s Conversations with Will. Drumond. (Lond., Shakespeare Soc. 1842) p. 23: She had a membrana on her, which made
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_131.jpg&oldid=- (Version vom 19.12.2022)