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werden, ehe an eine Verwerthung der Stelle in dem von Ferrai angestrebten Sinne gedacht werden kann.

Zum Schluss noch eine mehr gelegentliche Bemerkung. Ferrai rechnet, vielleicht nicht mit Unrecht, unseren Cermenate, obwohl dessen Darstellung überall die grösste Leidenschaftlichkeit athmet, zu der „Schaar jener friedfertigen Ghibellinen“, denen der liebe Friede über alles ging. Als Beweis dafür sieht er an, dass Cermenate im Jahre 1311 (gemäss seiner Angabe in Cap. LXIII p. 126) sich im Lager Heinrich’s VII. vor Brescia aufhielt. Ferrai sagt nicht, in welcher Weise er sich den Vorgang denkt; und warum jenes geschehen sein soll „coi principali fautori di Matteo Visconti“ (Ferrai p. xviij–xix), ist mir nicht klar. Die nächstliegende Erklärung aber dürfte sein, dass Cermenate’s Aufenthalt vor Brescia ein unfreiwilliger war und er zu den Geiseln gehörte, die Heinrich VII. aus Mailand als Bürgschaft für die Erhaltung des Friedens in dieser Stadt mit sich führte. Das würde darauf führen, dass Cermenate schon für das Jahr 1311 als eines der einflussreichsten Häupter der Mailänder Ghibellinenpartei anzusehen ist.

G. Sommerfeldt.     


Die Schrift des Aristoteles über die Athenische Staatsverfassung[1]. Der geschichtlichen Alterthumswissenschaft ist ein unermessliches, ungeahntes Heil widerfahren: dem zähe bewahrenden Boden Aegyptens haben wir seit dem Jahre 1847, wo er uns vier mehr oder weniger vollständige Reden des vorher nur aus einem Bruchstückhaufen bekannten Hypereides geschenkt hat, für so manches werthvolle Papyrusfragment aus untergegangenen Schriften dankbar sein müssen; aber wer hätte zu hoffen gewagt, dass er uns auch das Werk hergeben würde, das wir uns von allen verschwundenen Quellen Griechischer Geschichte zuerst gewünscht hätten, wäre uns von einem Gotte die Wahl frei gestellt worden? Die Bedeutung des neuen Fundes zu hoch anzuschlagen ist gar nicht möglich, waren doch nahezu die gesammten literarischen Quellen für eine systematische Erkenntniss der Attischen Staatsverfassung nichts als durch Schriftsteller niedrigsten Ranges: Grammatiker, Lexikographen und Scholiasten,

  1. Ἀθηναίων πολιτεία. Aristotle on the constitution of Athens, edited by F. G. Kenyon. Printed by order of the trustees of the British Museum. London 1891. 8°. lj 190 S. 7 sh. 6 d. – [Mit der obigen kurzen Anzeige, die ursprünglich für die „Nachrichten und Notizen“ bestimmt war, hatte der Herr Verfasser die Güte, einer Bitte der Redaction um schleunige Abfassung eines Berichtes zu entsprechen.]
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_164.jpg&oldid=- (Version vom 19.12.2022)