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eine Burg oder gar eine Rechtsburg sei, wirkte hier, wie Sohm meint (S. 27), nicht mit, wohl aber der Gleichklang mit dem nd. bur. Die Bewohner der Weichbilde bezeichnen sich ursprünglich als buren, d. h. als die Zusammenwohnenden; vgl. bur Wohnung, nahgebur der nächst Wohnende, Nachbar, auch unser Vogel-bauer. Bürger werden heisst die burscop, Bauerschaft gewinnen. Aus Oberdeutschland ist – ob auf dem Umweg über Flandern, ist fraglich – das Wort burgensis wahrscheinlich zuerst in lateinischen Urkunden erst im 12. Jahrhundert nach Niederdeutschland gekommen. Doch braucht man neben dem Worte noch lange Umschreibungen, um die Bewohner der neuen socialen Gebilde, der Städte, zu bezeichnen, so cives forenses (Halberstadt 1105, erst 1226 tritt der Ausdruck burgenses auf), mercatores (1040 Quedlinburg, Goslar, Magdeburg), negociatores (Quedlinburg 1040). Nach dem Eindringen des Wortes burgensis, bürger erlangte bur die generelle Bedeutung „Bauer“. Doch blieben neben borgere noch lange die Ableitungen burscop, burding, burmal, burkore, burmester bestehen. In den Braunschweiger Statuten tritt erst um 1400 neben burscap borgerschop auf[1].

Wenn burg Stadt bedeutet, kann Burgrecht nur Stadtrecht und nicht das in der Königsburg herrschende Recht, für das man auch nach Analogie des Wortes Pfalzgraf den Ausdruck Pfalzrecht oder Hofrecht erwarten möchte, bezeichnen. Alle die bestechenden Ausführungen Sohm’s, in denen er die Entwicklung des Stadtrechtes aus einem königlichen Burgrecht, das wieder auf dem Fränkischen Reichsrecht beruht, beweisen will, sind daher hinfällig. Ebenso wie die Stadtgemeinde aus der Dorfgemeinde hervorgegangen ist[2], so ist das Stadtrecht überall aus dem localen Gewohnheitsrecht, das auf dem Volksrecht beruht, entstanden. Das beweist das Privileg des Herzogs Otto von Braunschweig für Münden von 1246: civitas dicta, cum in terra Franconica sita sit, jure Franconico fruitur et potitur, quod in ea nolumus immutare[3]. In Münden gilt also Fränkisches Recht, während in den übrigen Städten Otto’s Sächsisches Recht in Geltung ist. – Das locale landrechtliche Gewohnheitsrecht hat sich unter dem Einfluss des Handels und der Kaufmannschaft zu einem Handels- und Kaufmannsrechte umgebildet. Je einflussreicher die Kaufmannschaft,

  1. Braunschw. Urkundenbuch S. 119.
  2. Privileg v. Radolfszell: die sich ansiedelnden Kaufleute erhalten Theil an der Allmende, die früheren Besitzer werden aber entschädigt. ZGOberrh 5, S. 142.
  3. Döbner, Städte-Privilegien Herzog Otto’s des Kindes. 1882. S. 26, gl. Privileg v. Grünberg i. H. Gengler, Stadtrechte S. 174. Stadtbuch von Herford, ebd. S. 192.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_088.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)