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Ochenkowski den Mythus, dass sie (wie auf dem Festland) gewaltsam gegen die Gilde gestritten oder gar einen Sieg der Demokratie errungen hätten. An den Kämpfen in Englischen Städten zwischen Rathsausschuss und Gesammtgemeinde, zwischen Reich und Arm, nehmen Gilde und Zunft als solche keinen Antheil. Nur in fünf Nordenglischen und drei Irischen Städten rangen die Zünfte der Aristokratie (nicht der Kaufgilde) Antheil am Stadtregiment ab. Die Zunft wird urkundlich zuerst 1130 erwähnt; sie umfasst nur Ein Gewerbe und bildet kein Glied der Stadtverfassung (also in beiden Stücken unbedeutender als die Gilde). Doch übt sie Zunftzwang kraft königlichen Freibriefes; seit etwa 1400 wird sie von der Stadt privilegirt. Anfangs bilden die Zünfte Glieder der Gilde, sogen aber, als um 1350 Handel und Gewerbe selbständig erstarkten, die wirtschaftliche Kraft des Gesammtkörpers allmählich auf, und übernahmen die Gewerbeordnung. Das ermöglichte z. Th. der Untergang des Ackerbaues durch Bürger und der Machtverlust der allgemeinen Stadtversammlung (Grossen Bürgerschaft) zu Gunsten jenes Rathsausschusses. [Offenbar bleibt hier noch manches für künftige Forschung aufzuhellen.] Seit dem 15. Jahrh. führt die Gilda mercatoria kein unabhängiges Dasein mehr und wird immer seltener erwähnt. Hier zerfiel sie in Zünfte, dort gab sie nur den Namen für den Zünfteverein, anderswo lebte sie als frommer und geselliger Verein weiter. Nur in Preston wird sie noch alle 20 Jahre gefeiert.

Die Compagnie der Kaufleute übernimmt zwar die von den Zünften nicht vollzogene Thätigkeit der Gilde, ohne ihr doch zu entstammen. Sie umfasst keine Handwerker mehr. Sie erscheint nie sehr zahlreich, meist in der Neuzeit, gar nicht in London und wo belebter Handel Einzelzweige ausbildete. – Die Compagnie der Stapler, zu der auch Fremde gehörten, besitzen seit Edward I., oder etwas früher, das Vorrecht, Englands Rohproducte, namentlich Wolle, in gewissen Häfen zu sammeln und nach Niederländischen Märkten (seit Richard II. Calais) auszuführen. Die Krone errichtet den Stapel des Zolles wegen und lässt dessen Beamte, die später meist mit den Bürgermeistern identisch werden, den Fremden schnelles Handelsrecht sprechen. – Der Privatverein der Merchant adventurers, nur von Engländern, besass Ausfuhrmonopol auf gewisse Fabricate, namentlich Tuch. Er behauptete, unter Heinrich III. vom Herzog von Brabant gestiftet zu sein, erhielt den ersten Freibrief 1407 und ward unter den Tudors bedeutend. Seine Seele und vielleicht Wurzel war die Londoner Mercers-Compagnie.

Wie die starke Krone der Anglonormannen keine Freistädte, keine Städtebünde, keinen offenen Krieg zwischen Patriciern und Zünften aufkommen liess, so duldete ihre früh über das ganze Land hin erstarkte Rechtsprechung auch keinen verpflichtenden Rechtszug der Tochterstadt an einen Oberhof der Mutterstadt. (Richard’s I. Charte für die Bedforder steht dem sehr nahe: „Si contenderint de judicio, quod cives Oxenefordie judicabunt ratum habeant, quia sunt de eadem lege“). Und doch kam die Affiliation von Städten von Angelsachsenzeit bis zum 18. Jahrh. vor; Verfasser sammelt 196 Beispiele; Londons Recht dient 28 Städten zum Muster,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_119.jpg&oldid=- (Version vom 11.1.2023)