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des Alterthums in seiner Tiefe zu Gott führe“. Denn „in aller Geschichte wohnt, lebet, ist Gott zu erkennen. Jede That zeugt von ihm, jeder Augenblick prediget seinen Namen, am meisten aber der Zusammenhang der grossen Geschichte. Er steht da wie eine heilige Hieroglyphe, an seinem Aeussersten aufgefasst und bewahrt, vielleicht damit er nicht verloren geht künftigen sehenden Jahrhunderten.“

Ein weiteres Verfolgen dieses Weges hätte leicht dahin führen können, der Geschichtschreibung Ranke’s einen theologischen Charakter zu geben, und in der That sollte man dies vermuthen, wenn man am Schlusse der Vorrede seines Erstlingswerkes das Citat aus Jacobi liest. Allein das Buch selbst hält sich doch gänzlich frei von jeder Deutung oder auch nur Andeutung der unerforschlichen göttlichen Rathschlüsse. Denn schon damals steht Ranke vollkommen fest in der Ueberzeugung, dass das Verfolgen speculativer Gedanken, einerlei ob sie mehr nach der philosophischen oder der religiösen Seite hinneigen, unmöglich zur Erkenntniss des wesentlichen Seins führe; und als er in den dreissiger Jahren auf dem Berliner Katheder des Widerstreites zwischen Philosophie und Geschichte gedenkt, da zeigt er gerade an den fünf apriorischen Epochen der „Grundzüge“ Fichte’s, dass es, um menschliche Dinge kennen zu lernen, zwei Wege gebe, den der Erkenntniss des Einzelnen und den der Abstraction, ein gleichzeitiges Betreten beider Wege aber der Willkür Thür und Thor öffne[1].

Lorenz meint freilich, Ranke habe dabei vielleicht in erster Linie an Humboldt’s Abhandlung gedacht, aber dies wäre, selbst falls sich herausstellen sollte, dass sachlich Ranke’s Tadel Humboldt

  1. Ueber die Epochen der neueren Geschichte; herausgegeben von A. Dove. Leipzig. 1888. S. viij f. „Aus apriorischen Gedanken hat man auf das geschlossen, was da sein müsse. Ohne zu bemerken, dass jene Gedanken vielen Zweifeln ausgesetzt seien, ist man daran gegangen, sie in der Historie der Welt wiederzusuchen. [Lorenz citirt: „wiederzufinden“!] Aus der unendlichen Menge der Thatsachen hat man alsdann diejenigen ausgewählt, welche jene zu beglaubigen schienen. Dies hat man wohl auch Philosophie der Geschichte genannt. Einer von den Gedanken, mit welchen die Philosophie der Historie als mit unabweislichen Forderungen immer wiederkehrt, ist, dass das Menschengeschlecht in einem ununterbrochenen Fortschritt begriffen sei. Fichte, einer der ersten Philosophen in diesem Fach, nimmt fünf Epochen an…“
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_239.jpg&oldid=- (Version vom 22.1.2023)