Seite:De DZfG 1891 06 266.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

angebliche Amtsrecht, wer ist als Träger desselben zu denken, wenn in den betreffenden Erlassen der Könige selber keine Spur davon zu finden ist? Es sind einzig fürstliche Gründungsstatuten, die Sohm S. 41 ff. als Belege für das Eindringen der amtsrechtlichen Fiction mit ihren peinlichen Strafbestimmungen anzuführen gewusst hat, und er rechtfertigt diese Vertretung des amtsrechtlichen Standpunktes seitens der Fürsten dadurch, dass sie ihre Befugniss, ihre Banngewalt durch ausdrückliche oder wenigstens vorausgesetzte Verleihung des Königs erhalten haben. Aber, so müssen wir fragen, wie sollen die Fürsten darauf verfallen sein, sich als Vertreter einer Anschauung von Amtsrecht zu geriren, welche die Könige selber in dieser Materie zu der und aller vorhergehenden Zeit nachweislich nie bethätigt haben? Um eine so auffallende Erscheinung glaublich zu machen, müsste doch wenigstens in den betreffenden fürstlichen Urkunden irgend eine positive Spur derartiger Anschauung nachzuweisen sein. Auch das ist nicht der Fall. Geben wir die von Sohm S. 41 ff. angeführten Urkunden durch, so treffen wir nirgends auch die allerentfernteste Andeutung, dass die darin festgesetzten peinlichen Strafbestimmungen von jener angeblichen amtsrechtlichen Vorstellung ausgehen. Im Gegentheil: wo sich eine Andeutung des Rechtsgrundes für die Androhung dieser peinlichen Strafen findet, weist dieselbe in eine ganz andere Richtung: im Freiburger Stadtrecht heisst es „Si quis infra urbem pacem urbis infregerit“, in dem Statut von St. Omer wird es als „secundum leges et consuetudines villae“ bezeichnet, dass nach Talion gerichtet werde, im Rechte von Medebach ist ausdrücklich auf den Gottesfrieden Bezug genommen. Also nirgends etwas von einem königlichen Amtsrecht, welches der Marktherr zu vertreten gewillt ist, sondern überall der Hinweis auf den localen Rechts- und Friedenszustand, den man durch schärfere Strafmittel zu sichern sich bemüht, gerade so, wie man es zur selben Zeit auf dem Lande durch locale Gottes- und Landfriedenssatzungen that. Diesen Hinweis auf den Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung des Strafrechts, den wir hier und in zahlreichen späteren Stadtrechten deutlich ausgedrückt finden, meint Sohm S. 46 durch die Behauptung entkräften zu können, dass Gottesfrieden bezw. Stadtfrieden gleichbedeutend sei mit Königsfrieden, eine Behauptung, für die er einen triftigen Beweis schuldig

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_266.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)