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betreffend, das erste Glied einer Kette von falschen Folgerungen, die alle in gewohnter Weise als Thatsachen in die Darstellung aufgenommen werden.


II.
Lambert’s historiographische Befähigung.

Die Ausführungen über Lambert’s Combinationsweise zeigten uns, wie sehr er von dem guten Willen beseelt war, tiefer in die zu schildernden Ereignisse einzudringen. Die Motive der handelnden Personen suchte er sich klarzulegen; Ereignisse, die ihm abgerissen und verstümmelt vermittelt wurden, suchte er als vollwichtige Factoren in seiner Darstellung zu verwerthen, indem er seine lückenhafte Kenntniss durch Combinationen zu erweitern verstand. Bei Besprechung des muthmasslichen Verlaufes seiner Combinationen musste uns auffallen, dass ihn hierbei nicht eine klare, wohlüberlegte Grundauffassung bewegte, sondern meistens wenig besagende, allgemeine Vorstellungen, die er sich im Laufe der Zeit gebildet hatte. Was aber von hervorragender Bedeutung ist, je mehr er seinen Combinationen freien Spielraum gewährte, desto mehr entfernen sich die Schlussergebnisse von der Wirklichkeit der Thatsachen, weil ihm eben die Befähigung fehlte, in den mangelhaft überlieferten Nachrichten den wahren und treibenden Factor zu erkennen.

Die historiographische Befähigung Lambert’s ist fast durchweg überschätzt worden. Ranke spricht z. B. von seinem angeborenen Talent, „das ihn nicht selten über die Ereignisse hinaus zu historischer Anschauung erhoben habe“. Die einzige Beschränkung seiner hohen Befähigung sieht er in seiner mönchischen Weltansicht, die er allenthalben einmische. Die Untersuchung Delbrück’s, der sich die meisten nachfolgenden Arbeiten mehr oder minder anschliessen, lässt unsern Autor als einen schlauen, wohlüberlegten Kopf erscheinen, denn nur als einen solchen wird man Delbrück’s „hämischen Lügner“ auffassen können. Delbrück (S. 14) spricht sogar von einer Stellung Lambert’s zwischen den Parteien und zwar in dem Sinne, „dass Lambert die Rechte des Königs anerkannt, aber den Träger dieser Rechte verabscheut habe, andererseits von Gregor’s Askese, nicht aber von dessen Streben nach kirchlicher Weltansicht begeistert

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_315.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)