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Gesichtspunkten veranlassen und über künftige Congresse entscheiden soll. Von Deutschland aus war die Versammlung sehr schwach besucht.

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Archive, Bibliotheken, Museen. Das Vaticanische Archiv und die Vaticanische Bibliothek haben in diesem Herbst einen sehr bedeutenden Zuwachs durch die Handschriften der Bibliothek Borghese erhalten. Dieselben setzen sich aus zwei Hauptbestandtheilen zusammen. Zur eigentlichen Bibl. gehören etwa 300 Codices aus dem 13., 14. u. Anfang 15. Jh., meist theologischen, philosophischen u. juristischen (canonistischen u. legistischen) Inhalts. Sind diese Hss. schon an sich sehr werthvoll, zumal da sie bisher so gut wie ganz unbenutzt waren, so haben sie noch ein ganz besonderes Interesse dadurch, dass wir in ihnen den bedeutendsten Rest der alten Avignones. Bibliothek der Päpste vor uns haben. Ehrle sagt darüber im Vorwort zu seiner Hist. bibl. Rom. pontif.: „cum ex codicibus, qui olim in bibliotheca Romanorum Pontificum Avenione asservabantur, plurimos in bibliotheca excellentissimi Principis Burghesii, quosdam in Vaticana, quosdam in Parisiensi, quam ‚Nationalem‘ dicunt, repererim“.

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Weit umfangreicher und weit wichtiger für uns Historiker ist aber der zweite Bestandtheil der Sammlung, das sogen. „Archivio storico“. Den Grundstock desselben bildet nichts Geringeres als das Archiv des Staatssecretariats, d. h. also die gesammte auswärtige Correspondenz der Curie, aus den beiden Pontificaten Clemens’ VIII. und Paul’s V. Durch die Nepoten der beiden Päpste, die das Staatssecretariat verwalteten, die Cardinäle Aldobrandini und Borghese, sind diese Archivalien nach dem damals so vielfach geübten Missbrauch in die Borghesische Familienbibliothek gekommen. Wohl bleiben auch hier Lücken, aber was sich aus den 30 Jahren dieser beiden Pontificate, 1591–1621, bisher im Vatic. Archiv befand, verschwindet ganz gegen den Zuwachs aus der Borghesiana. Man wird nicht sehr irre gehen, wenn man die päpstlichen Archivalien in diesem archivio storico auf reichlich 1000 Bände, die eigentlichen Nuntiaturacten darunter auf c. 500 Bände veranschlagt. Dazu kommt dann noch eine grosse Zahl von minder wichtigen, aber z. Th. doch auch werthvollen Abschriftenbänden, wie sie in den Röm. Bibliotheken so viel vorhanden sind, und Literalien aller Art, in der übergrossen Mehrzahl aus dem Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts.

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Die Sammlungen waren zum Kauf u. a. der Preuss. Regierung angeboten, die darauf auch ernstlich reflectirte, aber vor dem Vatican zurückstehen musste, nicht des Kaufpreises wegen, der etwas über 200 000 fr. betrug, sondern da dem Vatican die Vorhand gelassen wurde. Für das Preuss. Histor. Institut in Rom, dem sonst wohl die Verwaltung dieser Schätze zugefallen wäre, war dieser Ausgang natürlich eine grosse Enttäuschung, aber die während der Verhandlungen vorgenommene Inventarisirung gab wenigstens Gelegenheit, sich über den Bestand der Sammlungen, besonders soweit sie Deutschland angehen, genau zu unterrichten, und schliesslich darf man von einem allgemeineren Standpunkt aus lebhafte Befriedigung darüber empfinden, dass die Handschriften dahin gelangt sind,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_402.jpg&oldid=- (Version vom 18.1.2023)