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Datum „1881: K. Wilhelm’s Botschaft an d. Reichstag üb. die Socialreform“. Auch sonst scheint uns gerade die Culturgeschichte, von der die Verfasser in ihrem Vorwort sprechen, wenigstens die des rein geistigen Lebens, zu kurz zu kommen, auch wenn man in Rechnung zieht, dass die nähere Beschäftigung mit der Literaturgeschichte dem Deutschen Unterricht vorbehalten bleibt. Einige Zeit suchten wir vergebens nach irgend welchen Daten aus der Literaturgeschichte des 18. Jahrh. Endlich fanden wir unter 1740 bei Friedrich d. Gr.: „Friedrich der Erwecker der class. Nat.-Lit. Deutschlands: Die Dichter Klopstock u. Wieland, Lessing u. Herder, Goethe u. Schiller. Winckelmann der Lehrer d. Kunst d. Alterthums. Kant der Philosoph v. Königsberg. Weimar unter Hzg. Karl August d. Deutsche Musensitz." Also aus der ganzen Entwicklung ausser den Namen der Literaturheroen keine genaueren Daten, nichts auch, was besonders hervorgehoben wäre, während die polit. G. der Zeit Friedrich’s d. Gr. mit 20 „Lernzahlen“ ausgestattet ist, der 7jährige Krieg fast zwei Seiten einnimmt und aus den meisten Jahren desselben mehrere Thatsachen durch Sperrdruck ausgezeichnet sind. Wie hier die ganze classische Literatur an den Namen Friedrich’s angeknüpft wird, ist übrigens hoffentlich nur Ungeschick? Sonst wäre es ein wahrhaft classisches Beispiel für das bei anderer Gelegenheit von uns schon gekennzeichnete Bestreben, Ereignisse der neueren Deutschen Geschichte gewaltsam unter die Verdienste Preussischer Herrscher zu rubriciren. Ein ähnlicher Uebelstand, der uns auffällt, ist das fast völlige Zurücktreten der Deutschen Mittel- und Kleinstaaten. Von deren Existenz wird z. B. von 1848 an nur dadurch Notiz genommen, dass 1849 die „Unterdrückung der Aufstände in Dresden, der Pfalz und in Baden durch Preussische Truppen“ erfolgt und dass „Augusta von Sachsen-Weimar, die Enkelin Karl August’s, die Gemahlin K. Wilhelm’s“ war, abgesehen natürlich von den unvermeidlichen Erwähnungen bei den Kriegen von 1864, 1866 und 1870. Doch auch hier bleibt z. B. zu Beginn des 70er Krieges der doch sehr wesentliche Anschluss der Süddeutschen Staaten und bis zu den Kämpfen um Orléans ihre Betheiligung am Feldzug unerwähnt. Aehnlich steht es sogar beim rein geistigen Leben. Wenn z. B. die Gründung des Preuss. histor. Instituts in Rom wirklich in diesen Geschichtstafeln zu erwähnen war, dann mussten die Münchener histor. Commission und das Germanische Museum in Nürnberg erst recht einen Platz finden. Es scheint uns wirklich weder im Geist historischer Wissenschaft noch im Interesse nationaler Erziehung, den Blick des Schülers mit dieser Beschränkung auf den eigenen Particularstaat zu richten. Im allgemeinen ist auch (ganz im Gegensatz zu der Bemerkung, die wir vorher über die letzten 20 Jahre machten) das Ausland gar zu kurz weggekommen. Besonders im Mittelalter sind Daten selbst von welthistorischer Bedeutung arg vernachlässigt, und Zuständliches ist in der Geschichte des Auslandes kaum je angedeutet.

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Seinen vielbesprochenen Theorien über die Bedeutung der Generationen und seiner Forderung, dass genealog. Gesichtspunkte den histor. Unterricht beherrschen müssten, hat O. Lorenz in seinem Genealog. Hand- und Schulatlas den Anfang zur praktischen Ausführung seiner Gedanken folgen lassen. Ich muss nun leider bekennen, in jener Generationenlehre

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_412.jpg&oldid=- (Version vom 18.1.2023)