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Wendungen[1] und malt die Helden seines Stammes im Kraftstriche Deutsch-epischer Technik[2].

Ergriff so die neue, zuständliche Typik des Deutschen Epos zunächst die geschichtlichen Ereignisse der Zeit, zunächst um hervorragende Einzelheiten zu schildern, späterhin, um diese um willkürliche Centren zu neuen grösseren Stoffen zusammenzuballen und zu verdichten, so wandte sie sich doch auch sofort der Behandlung älterer Stoffe des Heldensanges zu. Diese erhielten dabei, soweit wir zu sehen vermögen, eine völlig veränderte Fassung. Der hastige Zug der Erzählung, der dramatische Schwung des Geschehens, das sturmesgleiche Wehen des Vortrags, das Alles fiel hinweg. Nun verweilte man ruhiger beim Einzelnen, die Schilderung trat in ihre Rechte, behaglich wurde mitgetheilt aus dem langverjährten Schatze altersgrauer Ueberlieferung: jener epische Stil, den wir aus den Homerischen Gedichten kennen, begann auch bei uns sich zu bilden[3].

Und neben dem alten Heldensang in breiter Umformung nahm die neue Zeit sich des Schwankes an wie der Legende: die zuständliche Epik wie die phantastische und willkürliche Erzählung fanden von Tag zu Tag sorglichere Pflege. Unter diesen geistigen Voraussetzungen scheint auch die Thierfabel in unserem Volke Eingang gefunden zu haben; vornehmlich die Geistlichkeit hat sie zunächst verarbeitet. Doch ist die Ecbasis captivi des 10. Jhs. noch kein eigentliches Thierepos; erst das 12. Jh. hat unter ganz anderen geistigen Bedingungen deren gezeitigt[4].

Im Uebrigen war nicht der Klerus, und ebenso wenig der höhere, geistig der Ottonischen Renaissance angehörige Stand der Laien, im 10. Jh. Pfleger der nationalen Dichtung. Spielleute waren es[5],

  1. Vgl. sofort Widuk. 1, c. 1: „operum nostrorum primordia, quibus summi Imperatoris [sc. Dei] militum triumphos declarari“. Verwandte Stimmungen noch Ann. Quedlinb. z. J. 1015: der Tod eines Kriegers geschildert mit der Wendung „gloriosae mortis pocula degustare“; vgl. a. a. O. z. J. 946.
  2. Vgl. die Schilderung Wichmanns Widuk. 3, c. 69. Bekannt ist, dass Widukind auch die Schilderung der Krönung Ottos I. völlig typisch, nach einer vorhandenen Krönungsordnung entwirft: Waitz, Abhh. d. Gött. Ak. Hist. phil. Cl. 18, 29.
  3. Das lässt sich aus der epischen Breite des Waltharius manufortis (c. 930) schliessen, welche nach neueren Forschungen keineswegs als blosser Zusatz der Lateinischen Formgebung betrachtet werden darf.
  4. Zu der Controverse des Thiermythus vgl. Scherer, Z. f. d. Oesterr. Gymnasien 1870 S. 48, Deutsche Studien 1, 341.
  5. Vgl. Müllenhoff, De poesia chorica S. 6.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_024.jpg&oldid=- (Version vom 26.1.2023)