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Die Todespoesie spricht der Reform als geschichtlicher Erscheinung an sich das Urtheil. Sie war nicht von dieser Welt; ihr Leben war hohl, ihr Geistesleben unpersönlich; mit dem Verhallen des typischen Zeitalters unserer Cultur ist es dahin gegangen. Doch vorher hat es noch auf die Entwicklung der Deutschen Kirche die stärkste Wirkung geübt.

Im Beginn des 10. Jhs. war sogar das äussere Leben der Deutschen Kirche verfallen. Concilien wurden nicht mehr abgehalten, Provinzialsynoden waren selten. Die Achtung der Laienwelt vor dem Klerus war fast völlig dahin; ungestraft wurden Priester und Bischöfe beraubt, verstümmelt, ermordet[1].

Dem trat die religiöse Reform entgegen. Ausgehend von den Tiefen des Volkslebens, aber organisirt doch zum ersten Male in den Klöstern, schuf und erlebte sie zunächst ihre äussere Selbstbefreiung, indem sie die wirthschaftliche Lage der von ihr ergriffenen Institute wesentlich besserte und ihre verfassungsmässige Emancipation vom Einfluss der Bischöfe durch die Deutschen Könige, durch Konrad I. schon und Heinrich I., gefördert sah. Kaum von dem übermächtigen Einflusse der Hierarchie entbunden, ergriff sie aber die Kirchenfürsten selbst mit dem inneren Wehen ihres Geistes; die Bischöfe von Metz und Köln vornehmlich waren ihre begeisterten Anhänger, und nicht lange dauerte es, bis Mönche der Reform selbst bischöfliche Stühle bestiegen. Und nun drang, von oben herab, das neue Leben auch in den altkirchlichen Organismus; die Kathedralstifter wurden Ebenbilder reformirter Klöster, der Priesterstand ward von unlauteren Elementen gereinigt, in seinen frommen Bestandtheilen geläutert und erzogen: die Gesammtkirche setzte sich in Einklang mit der Thatsache des Erblühens einer erstmaligen national-christlichen Frömmigkeit.

Und höher reckten die begeisterten Freunde der Reform ihre Häupter. Sie sahen zum König empor als dem Einiger des Reiches, wie einst die Fränkische Reichskirche auf die neuen Imperatoren des Universalstaates; von ihm erhofften sie Förderung und Hilfe. Nicht vergebens. Wie Ottos Bruder Brun ein Anhänger der

    Leod. c. 29, sowie die eigenartige Stelle Ann. Quedlinb. z. J. 1024. Um das Feuer der Todesdichtung setzen sich dann, wie Schlacken, eine Fülle von Phrasen an; eine schöne Sammlung derselben giebt Lambert z. J. 1075, SS. 5, 237 gelegentlich des Todes Annos.

  1. S. Gerdes, Culturgesch. 1, 68.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_039.jpg&oldid=- (Version vom 26.1.2023)