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eine grosse Familienähnlichkeit, die sich aber nur auf die Fehler, nicht auch auf die Tugenden zu erstrecken schien. Von der militärischen Tüchtigkeit[1], dem klaren Zweckbewusstsein, der Herrschaft über die Gemüther der Menschen, welche dem Galerius eigen waren, hat er niemals Proben abgelegt; doch an Leidenschaftlichkeit und Herrschgier, an Selbstsucht und Grausamkeit stand er nicht hinter ihm zurück. Galerius war dem Bechern nicht abhold[2]; Maximinus betrank sich fast täglich bis zur Sinnlosigkeit und musste zuletzt auf Bitte seines Präfecten die Bestimmung treffen, dass kein Befehl, den er nach dem Abendessen gebe, auszuführen sei[3]. Der Glaubenseifer seines Oheims verzerrte sich in ihm zur Carricatur: das Martern und Hinschlachten der Christen betrieb er mit wahrer Begeisterung[4]. Eben so feige wie abergläubisch, war er immer von Wahrsagern und Zeichendeutern umgeben und wagte kaum das unbedeutendste Unternehmen, ehe er sich durch sie über den Ausgang vergewissert hatte[5]. Die Pflichten gegen die Götter erfüllte er mit ängstlicher Sorgfalt, weil er Furcht vor ihnen hegte; doch eine Pflicht gegen den Wohlthäter, der ihn auf den Thron erhoben hatte, oder gegen die seiner Obhut vertrauten Unterthanen hat er nie gekannt. Hastig zutappend griff er nach allem, was seine Begierde reizte, mochten es fremde Weiber oder fremde Provinzen sein; doch stiess er auf gefährlichen Widerstand, so verlor er alsbald den Muth und die Besonnenheit. Ein Mensch wie dieser taugte ebenso wenig zum Dienen, wie zum Herrschen. Er gehorchte dem Galerius, so lange er ihn zu fürchten hatte, und lehnte sich gegen ihn auf, sobald er dessen Macht gebrochen sah. Sie selbst zu erschüttern, war er freilich nicht der Mann; dies blieb den beiden Kaisersöhnen vorbehalten, die bisher das Ziel der höchsten Gewalt dicht vor sich gesehen hatten und sich nun plötzlich bequemen sollten, anspruchslos in die Masse der Unterthanen zurückzutreten. Dies Opfer war zu schwer für zwei so feurige und hochstrebende Jünglinge; aber selbst wenn sie es hätten bringen wollen, wäre ihnen dies kaum möglich gewesen.

  1. Lact. 19.
  2. Anon. Vales. 4, 9.
  3. Anon. Vales. 4, 11; dass hier nach Galerius der zweite Name Maximinus ausgefallen ist, beweisen die Parallelstellen bei Vict. epit. 40, 18 ff. und Euseb. hist. eccl. VIII 14, 11.
  4. Euseb. mart. Palaest. 4, 1; 8; hist. eccl. IX 1, 1 und sonst.
  5. Euseb. hist. eccl. VIII 14, 8; vit Const. I 58.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_079.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)