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Denn das Heer, welches sich zwölf Jahre lang gewöhnt hatte, in ihnen seine künftigen Herrscher zu sehen, erkannte auch jetzt noch die Rechte ihres Blutes an und blickte grollend auf die neuen Caesaren, die ihm als Thronräuber an seinen echten Prinzen erschienen[1]. Sobald irgend ein Anlass die Unzufriedenheit zum Ausbruch brachte, konnte man sicher sein, dass Constantin oder Maxentius oder alle beide zu Kaisern ausgerufen wurden. War dies aber einmal geschehen, so mussten sie, selbst wider ihren Willen, den Purpur nehmen. Denn wer sich in jener Zeit den Herrschern als gefährlicher Nebenbuhler erwiesen hatte, der war unrettbar dem Beile des Henkers verfallen, wenn er nicht die Macht, welche ihn schützen konnte, zu behaupten verstand. Diese Gefahr ist Galerius nicht verborgen geblieben. Um ihr vorzubeugen, hatte er dem Maxentius in der Nähe von Rom, weit entfernt von jeder nennenswerthen Truppenmacht, seinen Wohnsitz angewiesen[2], und Constantin behielt er in seiner eigenen Umgebung, wo er ihn stets beobachten und, falls es noththat, unschädlich machen konnte.

Da kamen Briefe des Constantius mit der Bitte, ihm seinen Sohn, den er seit langen Jahren nicht mehr gesehen hatte, endlich zurückzusenden[3]. Dieser berechtigte Wunsch des Vaters, der als ältester Augustus hätte befehlen können, liess sich nicht abschlagen, und schweren Herzens musste sich Galerius entschliessen, dem gefährlichen Menschen die Reise zu gestatten. Constantin erreichte seinen Vater, als dieser eben in Boulogne zur Ueberfahrt nach Brittannien bereit stand[4]. Die Picten und Scoten waren wieder einmal aus den Gebirgen des Nordens in den Römischen Theil der Insel eingefallen, und zu ihrer Abwehr schien die Anwesenheit des Kaisers erwünscht. So bot sich Constantin Gelegenheit, die frische Wagelust, welche er in den Sarmatenkriegen des Galerius schon oft gezeigt hatte[5], auch im Angesicht

  1. Lact. de mort. pers. 25 milites, quibus invitis ignoti Caesares erant facti.
  2. CIL. XIV 2825; 2826.
  3. Lact. 24. Die Geschichte von dem Unbrauchbarmachen der Post ist wahrscheinlich von Lactanz erfanden und diesem von Anon. Vales 2, 4; Vict. Caes. 40, 2; epit. 41,2; Zos. II 8, 3 mit mannigfachen Entstellungen und Zusätzen nacherzählt. Denn dass alle vier eine gemeinsame Quelle benützt haben, welche ihrerseits von Lactanz nicht ganz unabhängig war, lässt sich auch sonst nachweisen. Auch Euseb. vit. Const. I 20 hat zweifellos den Lactanz gekannt.
  4. Anon. Vales. 2, 4; Eumen. paneg. VII 7.
  5. Anon. Vales. 2, 3; Zon. XII 33; Eumen. paneg. VII 3.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_080.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)