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auch sein eigenes Recht bestimmte, dass das untreue Weib und ihr Verführer des Todes sterben müssten[1] Wie sein feuriges Temperament erwarten lässt, war er für weibliche Reize durchaus nicht unempfänglich. Munkelte man doch sogar, dass sein Günstling Optatus, der vom grammatischen Lehrer zum Patricius und Consul (334) aufstieg, diese erstaunliche Carriere dem Einfluss seiner schönen Frau verdanke[2]. Trotzdem ist seine Keuschheit immer unbefleckt geblieben[3], und keine Tugend hat er fester seinen Söhnen eingeprägt[4], wie auch er selbst sie durch die Erziehung seiner Eltern überkommen zu haben scheint. Denn wenn diese den Verlobten der Kaisertochter, als er kaum die Kinderschuhe ausgetreten hatte, zur wilden Ehe mit einer gewissen Minervina veranlassten[5], so kann der Zweck kaum ein anderer gewesen sein, als ihn vor jugendlichen Verirrungen, welche das Heidenthum kaum als Verirrungen betrachtete, in christlichem Sinne zu bewahren[6]. Und die Sittenlehre des neuen Glaubens, welche Constantin eingeprägt war, noch ehe er sich ihm völlig zugewandt hatte, beobachtete er auch sonst, so weit er eben konnte. Hat doch der unbezwingliche Kriegsheld sogar alle Kriege vermieden, die ihm nicht aufgedrungen wurden[7]. Seinen feindlichen Mitkaisern gegenüber ist er bis zur äussersten Grenze der Nachgiebigkeit gegangen, ehe er den hingeworfenen Handschuh aufnahm, und wenn er strategisch auch stets die Offensive ergriff, so ist er politisch doch jedes Mal der Angegriffene

  1. Zos. II 29, 2; Eutrop. X 6, 3; Hydat. fast. a. 326; Sozom. I 5; Vict. Caes. 41, 10; epit. 41, 11; Zon. XIII 2; Apoll. Sid. epist. V 8; Joh. Monach. vit. S. Artem. 45; Philost. II 4. Vgl. Zeitschr. f. wissensch. Theol. XXXIII S. 63. Theol. Literaturblatt. 1890 S. 18.
  2. Liban. pro Thalassio II p. 402 (Reiske).
  3. Eumen. paneg. VI 4; IX 4; 7; Nazar. paneg. X 5; 9; 34; Euseb. laud. Const. 5.
  4. Amm. XXI 16, 6 von Constantius II: per spatia vitae longissima inpendio castus, ut nec amaro ministro saltem suspicione tenus posset redargui, quod crimen, etiam si non invenit, malignitas fingit in summarum licentia potestatum. Nichtsdestoweniger glich Constantius auch darin seinem Vater, dass er von weiblichen Einflüssen sehr abhängig war.
  5. Als Concubine bezeichnen die Minervina Zosim. II 20, 2; Vict. epit. 41, 4; Zon. XIII 2.
  6. Eumen. paneg. VI 4.
  7. Euseb. vit. Const. I 46. Dies Zeugniss würde allerdings nicht viel bedeuten, wenn es nicht die später zu erzählenden Thatsachen im vollsten Masse bestätigten.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_100.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)