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Noch ehe er ankam, war die Gefahr vorüber; Severus befand sich auf der Flucht, Maxentius auf der Verfolgung. Da dieser seines Vaters jetzt nicht mehr bedurfte, hätte er es gewiss viel lieber gesehen, wenn der Alte geblieben wäre, wo er war; denn wozu sollte er die Regierung, welche er allein hätte behaupten können, mit einem herrischen Greise theilen? Aber der Senat hatte einmal die Parole empfangen, dass Maximian zum Wiederergreifen der höchsten Gewalt veranlasst werden solle, und da Maxentius abwesend war, konnte er nicht zu rechter Zeit hindernd eingreifen. So bestürmte denn die hohe Körperschaft den früheren Kaiser mit ihren Bitten, erklärte es feierlich für seine Pflicht, das Reich in so bedrohtem Zustande nicht länger seiner Fürsorge entbehren zu lassen, und bald durften es die officiellen Lobredner preisen, dass Maximian sich dem Rufe, welchen seine Mutter, die hehre Roma, durch ihre Vertreter an ihn richtete, nicht in selbstischem Ruhebedürfniss entzogen habe[1]. Volk und Senat brachten den Göttern feierliche Gelübde dar, damit sie dem Kaiser auch das dritte Jahrzehnt seiner Herrschaft glücklich zu vollenden gestatteten[2], und die Vorschrift, dass jede Regierung mit ihren Vicennalien enden müsse, war damit in aller Form zu Grabe getragen. Auf’s neue mit dem Purpur geschmückt, erschien Maximian im Lager vor Ravenna, wo er die Entscheidung herbeiführen sollte.

Severus war durch seine kampflose Niederlage tief entmuthigt. Der Winter war hereingebrochen und hatte wahrscheinlich die Alpenpässe ungangbar gemacht, wodurch der Anmarsch des Galerius Monate lang verzögert werden konnte. Waren seine meisten Truppen zu Maxentius übergegangen, nur weil dieser sich den Sohn Maximian’s nannte, wie konnte Severus auf die Treue der übrig gebliebenen rechnen, wenn ihr alter Herrscher selbst ihnen entgegentrat? So liess er sich zu Unterhandlungen bereit finden, und als Maximian ihm eidlich versprach, dass sein Leben nicht

  1. Eumen. Paneg. VI, 10 ff. Wenn Roma redend und bittend eingeführt wird, so kann damit hier, wie bei allen andern Schriftstellern dieser Zeit (vgl. Forsch. z. Dt. Gesch. XXIV S. 177), nur der Senat gemeint sein. Denn dieser war die einzige Körperschaft, welche im Namen der Hauptstadt zu sprechen befugt war.
  2. Die Münze, auf welcher der felix ingressus sen(ioris) Aug(usti) zugleich mit dessen vota tricennalia gefeiert wird, bei Eckhel VIII S. 26.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_277.jpg&oldid=- (Version vom 1.2.2023)