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einstimmig frei gesprochen[1]. Wenn er einem gefährlichen Hochverräther, dessen Leben nach den Gesetzen verwirkt war, die Wahl des leichtesten Todes und die eigenhändige Vollziehung der Strafe gestattete, so war dies in ihren Augen ein Act der Milde, nicht der Grausamkeit. Dies Urtheil der Geschichte haben die neueren Schriftsteller auf Grund ihres modernen Sittenkodex umstossen zu müssen geglaubt und auch bei dieser Gelegenheit schaudernd von den Verwandtenmorden Constantin’s geredet. Wie mich dünkt, hängt die Entscheidung einzig und allein von der Frage ab, ob Maximian noch als gefährlich gelten konnte oder nicht; denn dass er unverbesserlich war, stand durch vielfache Proben fest. Bejaht man sie, so wird man es als eine Pflicht des Kaisers gegen sein Reich anerkennen, wenn er dem Rechte freien Lauf liess und den Urheber künftiger Bürgerkriege aus dem Wege räumte. Höchstens dass er von den gesetzlichen Formen des Processes absah, wird man ihm zum Vorwurf machen können; doch diese waren gegen Usurpatoren auch vorher nie zur Anwendung gekommen. Hält man dagegen Maximian für ungefährlich, so liegt kein Grund vor, warum man der eigenen Versicherung Constantins nicht Glauben schenken sollte, um so mehr, als er zu seiner Rechtfertigung vor den Zeitgenossen einer Lüge nicht bedurfte. Ein freiwilliger Selbstmord des erregbaren Greises, dem zu einem schnellen Entschlusse der Verzweiflung der Muth wahrlich nicht fehlte, ist doch psychologisch nichts weniger als unwahrscheinlich. Er, der als Soldat emporgekommen war und dessen Andenken bei den Truppen auch nach seinem Rücktritt noch Kaiser gemacht und Kaiser vernichtet hatte, sah jetzt jeden Einfluss bei seinem geliebten Heer und damit jeden Rest der altgewohnten Macht dahingeschwunden. Die Truppen seines Sohnes hatten ihn zornig aus Rom getrieben; von denen seines Schwiegersohnes war selbst der kleine Theil, den er anfangs hatte verführen können, wieder von ihm abgefallen. Jede Hoffnung auf künftigen Erfolg, jede Möglichkeit eines neuen Versuches sah er sich abgeschnitten; er selbst fühlte sich ungefährlich und konnte dies Bewusstsein nicht ertragen. Der dreimal

  1. Eutrop. X, 3, 2: Herculius – poenas dedit iustissimo exitu. Vict. Caes. 40, 22: iure tandem interierat. Wenn Lactanz es nöthig findet, den Tod des Maximian noch durch ein erfundenes Geschichtchen zu rechtfertigen, so spricht sich darin nur die überstrenge Moral des Christen aus.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_297.jpg&oldid=- (Version vom 2.2.2023)