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man einstweilen nur von dem Passe des Mont Genèvre Besitz ergreifen wollte und den entscheidenden Schlag für die Zeit aufsparte, wo man mit Licinius fertig war. Diese immer noch sehr ansehnliche Truppenmacht war bis Turin gelangt und hatte eine Abtheilung nach Susa vorgeschoben, das den Ausgang der Gebirgsstrasse sperrte.

Hier wurde sie von Constantin überrascht und zur Uebergabe aufgefordert. Ihr Commandant, der meinte, er habe es nur mit einer Vorhut zu thun und der Kaiser und sein Heer seien noch weit zurück in Gallien, weigerte sich. Sogleich wurde Feuer an die Thore gelegt und die Mauern mit Sturmleitern angegriffen, und in kurzem war die kleine, aber wichtige Festung in den Händen Constantin’s. Bei dieser Gelegenheit gab sein Heer Beweise einer Mannszucht, wie sie damals fast unerhört war. Die in Sturm genommene Stadt blieb nicht nur von jeder Plünderung bewahrt, sondern die Soldaten löschten sogar selbst die Feuersbrunst, welche sich von den angezündeten Thoren aus weiter verbreitet hatte[1]. Die Folge war, dass später alle Städte, die nicht mit feindlichen Truppen belegt waren, dem Kaiser ihre Thore freiwillig öffneten und ihn mit Jubel und Festlichkeiten begrüssten[2]. Da sie dadurch die Rache des Tyrannen herausforderten, mussten die Bürger selbst bedacht sein, sich gegen diesen auf’s Aeusserste zu vertheidigen. Constantin brauchte also nirgends Besatzungen zurückzulassen und konnte sein kleines Heer ungeschwächt mit sich führen.

Schon wenige Meilen weiter traf er auf eine Macht, die der seinigen gewachsen war und ihr im freien Felde entgegentrat. Den Kern derselben bildete eine Schaar Panzerreiter, die, von Kopf bis zu Fuss mit Eisenschuppen bedeckt und selbst die Leiber ihrer Rosse durch eine gleiche Umhüllung schützend, für jede Waffe unverwundbar schienen. Sie pflegten der Art verwendet zu werden, dass man sie an die Spitze eines Keiles stellte; dieser durchbrach langsam vordringend das Centrum des Feindes, welches gegen die unangreifbare Schaar machtlos war, und theilte sich dann in der Mitte, um die zerrissene Schlachtreihe nach den beiden Flügeln hin aufzurollen. Gegen diese

  1. Eumen. Paneg. IX, 5; 6; Nazar. Paneg. X, 17; 21.
  2. Eumen. Paneg. IX, 7; Zos. II, 15, 1.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_307.jpg&oldid=- (Version vom 2.2.2023)