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auch Licinius diejenigen Provinzen, welche er seinerseits von dem ehemaligen Reichstheil des Severus im Besitz hatte, d. h. Rätien, Noricum und die Pannonische Diöcese, dem Gebiete des neu zu schaffenden Cäsar hinzufüge. Hierüber waren die Verhandlungen noch nicht zum Abschluss gediehen, als Mitte Februar 313 eine unerwartete Nachricht den Licinius plötzlich zur Heimkehr zwang und die Festversammlung zu Mailand nach kaum zwei- bis dreiwöchentlicher Dauer[1] jählings auseinandersprengte.

Seit Maximinus durch den Tod des Galerius zum ältesten Augustus geworden war und keine Autorität mehr über sich anzuerkennen brauchte, hatte er allen Tyrannenlaunen mit noch grösserer Frechheit als bisher die Zügel schiessen lassen. In Asien hatte er sein Regiment damit begonnen, in thörichtem Haschen nach Popularität alte Steuern aufzuheben[2]: bald musste er sogar Steuervorschüsse für künftige Jahre mit unerträglicher Härte eintreiben[3]. Was ihm von dem Eigenthum seiner Unterthanen gefiel, nahm er an sich, ohne ängstlich nach Vorwänden zu suchen; selbst den Rechtstitel der Confiscation, der, wenn auch grausam, doch immerhin ein Rechtstitel war, glaubte er sich sparen zu können. Seine Werkzeuge zogen in den Städten des Reiches umher, um nicht nur die Gesichter, sondern auch die Leiber schöner Weiber und Jünglinge der sorgfältigsten Ocularinspection zu unterziehen, ob es lohne, sie ihrem Herrscher zuzuführen; wer sich weigerte, seiner Wollust zu dienen, wurde als Majestätsverbrecher mit dem Tode bestraft. Das Jus primae noctis nahm er alles Ernstes für sich in Anspruch, und an den Freuden des zügellosen Tyrannen erhielt die Schaar seiner Günstlinge reichen Antheil. Denn an Freigiebigkeit mit fremdem Gute liess er es nicht fehlen: Gold und Mädchen, Landgüter und reiche Frauen vertheilte er nach Lust und Laune[4]. Während im Lande Pest und Hungersnoth wütheten, wurden ungeheure Summen in Geschenken verschleudert; namentlich die Soldaten, welche dem Allverhassten als seine einzige Stütze erschienen, suchte er ganz in der Art des Maxentius an sich zu fesseln[5].

  1. Zeitschr. f. Rechtsgeschichte X, S. 182; 208.
  2. Lact. de mort. pers. 36.
  3. Lact. de mort. pers. 37; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 10.
  4. Lact. l. c. 38; Zon. XII, 32; Euseb. VIII, 14, 10 ff.
  5. Lact. de mort. pers. 37; Euseb. hist. eccl. VIII, 14, 11.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_327.jpg&oldid=- (Version vom 3.2.2023)