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Minder friedfertig war Licinius. So lange der Eindruck seiner Niederlagen noch frisch war, hielt auch er sich ruhig; aber je mehr die Wunde verharschte, desto klarer wurde in ihm der Entschluss, lieber Thron und Leben noch einmal zu wagen, als das drückende Uebergewicht des Verhassten dauernd zu erdulden. Durch harten Steuerdruck und gewissenlose Confiscationen presste er sich einen ungeheuren Schatz zusammen und schuf sich mit dem Gelde allmählig ein Heer und eine Flotte, mit welchen er Constantin trotz der viel geringeren Ausdehnung seines Reiches wohl die Spitze bieten konnte. Aber wovor der abergläubische Landsknecht die meiste Furcht hatte, das war der göttliche Schutz, unter dem sein Gegner seit der Schlacht an der Milvischen Brücke zu stehen schien. Wie Constantin jedem Princip, welches er zu dem seinen machte, mit heissem Eifer und pflichtbewusster Consequenz zu dienen pflegte, so hatte er sich auch mehr und mehr zum Ideal des christlichen Herrschers, wie seine Zeit es auffasste, auszubilden bemüht. Der Ausgangspunkt seines Christenthums war das Bedürfniss nach einem starken Helfer in einer Gefahr gewesen, der er mit seinen menschlichen Mitteln sich nicht gewachsen fühlte; aber nachdem er durch die wunderbare Gottesfügung, welche ihm das Haupt des Maxentius zu Füssen gelegt hatte, einmal zum Proselyten des neuen Glaubens geworden war, erfüllte er auch dessen sittliche Forderungen mit strenger Selbstbeherrschung. Zwar hatte er das Heidenthum noch nicht gänzlich abgethan, aber nur weil er es nicht durfte. Bestand doch das Heer, von welchem seine Existenz abhing, fast ausschliesslich aus Heiden. Zwar kämpften die barbarischen Söldner ebenso gern unter dem Kreuze, wie unter dem Hammer des Thor oder dem Hundskopfe des Anubis. Ihnen war Christus nur ein Gott mehr in der bunten Göttermenge, welche von den mannichfachen Nationen, die im Feldlager zusammenströmten, in tausendfach verschiedenen Cultformen geehrt wurde. Erwies seine Kraft sich stärker, als die der anderen Gottheiten, so war er ihnen als Schlachtenführer hoch willkommen. Aber wenn sie neben all’ den fremdartigen Religionsbräuchen, welche sie umgaben, auch das opferlose Gebet ihres Kaisers gelten liessen, so verlangten sie doch auch Respect für ihre Schutzpatrone. Doch dies verstand auch die christliche Geistlichkeit; sie erkannte es freudig an, dass Constantin für ihren Glauben that, was er konnte,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_347.jpg&oldid=- (Version vom 4.2.2023)