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noch nicht reif war. Nicht minder ist auch richtig, dass Struensee sich wiederholte Geldgeschenke durch den König machen liess, welche seine Uneigennützigkeit nicht gerade in das beste Licht rücken; aber auch in dieser Richtung lässt sich wieder eine Entschuldigung aus den Sitten der Zeit entnehmen, welche derartige Geschenke als ganz gewöhnlich erscheinen liessen.

Die dritte Anschuldigung betrifft Struensee’s angebliche Mitschuld an dem gewaltsamen Angriff, welchen dessen Mitangeklagter Brandt gegen den König gerichtet haben sollte (S. 279–92). Sie kann hier unbesprochen bleiben, da sie mehr Brandt als Struensee betrifft und überdies historisch wenig interessant ist; doch möchte ich bemerken, dass auch in diesem Punkte meine Ansicht von der des Verfassers etwas abgeht. Dieser hält den verurtheilenden Spruch der Commission für gerechtfertigt, meint aber, dass bezüglich dieses Vergehens Begnadigung am Platz gewesen wäre; mir dagegen scheint auch hier wieder die Frage nach dem Geisteszustand des Königs für die Beurtheilung der Schuldfrage sehr bedeutsam zu sein. War dieser geistig gesund, so musste Brandt’s Handanlegen an seine Person als eine hochverrätherische Handlung in der That erscheinen; war er aber geisteskrank, so mochte dieselbe That als ein vielleicht ungeschicktes, aber doch jedenfalls nicht hochverrätherisches psychiatrisches Zuchtmittel gelten. – Bezüglich der Beschuldigung einer Urkundenfälschung, welche der Verfasser selbst als unerwiesen und vermuthlich unbegründet ansieht (S. 292–96), kann ich mich seinem Urtheile völlig anschliessen, und dasselbe gilt auch von der letzten Anschuldigung, welche auf die harte Erziehung des Kronprinzen und die hierdurch bedingte Gefährdung seines Lebens begründet war (S. 296–97); mit dem Verfasser halte ich auch in dieser Beziehung den Angeschuldigten für unschuldig, da er nur im Sinne der damals auftauchenden neuen Erziehungsgrundsätze, wenn auch vielleicht allzu leichtsinnig verfuhr und jedenfalls von jeder unlauteren Absicht frei war. Endlich wird man wohl auch bezüglich des grausamen Strafvollzugs mit dem Verfasser die Entschuldigung gelten lassen müssen, dass derartig grausame Strafen in der betreffenden Zeit ganz allgemein gang und gäbe waren, und dass der einzelne Fall eben nur mit dem Masse seiner Zeit gemessen werden darf.

Trotz der Bedenken, welche gegen einen Theil der Ergebnisse des Verfassers erhoben wurden, ist doch seiner ebenso umsichtigen als unparteiischen Behandlung des Falles ein sehr erheblicher Werth beizumessen und ist seine Abhandlung der Beachtung auch der Geschichtsforscher dringend zu empfehlen.

Nachdem Obiges geschrieben war, brachte der V. Jahrgang der

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_420.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)