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Astrologische Geschichtsconstruction im Mittelalter.
Von
F. von Bezold.


Das historische Interesse an einer Erscheinung des Geisteslebens ist nicht bedingt durch ihren bleibenden Werth; es genügt, wenn sie auf ihre Zeit gewirkt, wenn sie als ein lebenskräftiges Erzeugniss menschlichen Denkens und Empfindens Ueberzeugungen beherrscht, Handlungen hervorgerufen oder beeinflusst hat. Einen hohen Grad solcher Lebenskraft müssen wir ohne Zweifel der Astrologie zugestehen, deren Macht unter der Herrschaft der Renaissancecultur ihren Höhepunkt erreicht und erst im 18. Jahrhundert, nach den Entdeckungen Newton’s, endgültig gebrochen erscheint. Wie diese jetzt entthronte Wissenschaft ehedem auch Staatsmänner und Feldherren unter ihre Adepten zählte und eine nicht zu unterschätzende politische Rolle spielte, das soll hier nur gestreift werden; mir kommt es ausschliesslich darauf an, ihr Hereinragen in die Geschichtschreibung und Geschichtsphilosophie früherer Jahrhunderte an ein paar Beispielen näher zu charakterisiren. Es bedarf kaum der Erklärung, warum gerade diese Seite der Astrologie von der positivistischen Geschichtsbetrachtung des 19. Jahrhunderts in ein helleres Licht gesetzt worden ist[1]. Denn über den krausen Formen einer

  1. Vgl. Aug. Comte, Cours de philosophie positive, 4. Aufl., Paris 1877, III, 280; VI, 206 ff.; hierzu W. E. Lecky, Geschichte des Ursprungs und Einflusses der Aufklärung in Europa (übers. von Jolowicz, Leipzig 1868) I, 215 f.; F. A. Lange, Geschichte des Materialismus I³ (Iserlohn 1877), 154 f. Ueber die culturgeschichtliche Bedeutung der Astrologie im Allgemeinen vgl. Schleiden, Studien (2. Aufl., Leipzig 1857) p. 224;
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_029.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)