Seite:De DZfG 1892 08 032.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

für das politische und religiöse Leben voll entwickelt. Das in bestimmten Zwischenräumen sich wiederholende Zusammentreffen gewisser Planeten in einem Haus, wie man zu sagen pflegte, war nach dieser Annahme jedesmal von wichtigen Ereignissen begleitet. Den höchsten Werth legte man auf die Conjunctionen der sogenannten oberen Planeten Saturn und Jupiter; man unterschied die kleine, welche alle 20 Jahre stattfand und Thronwechsel, Aufstände und dergl. im Gefolge hatte, die mittlere nach je 240 Jahren, welche stärkere politische Veränderungen, etwa Dynastienwechsel, mit sich brachte, endlich die grosse, bei deren Eintritt nach einem Zeitraum von je 960 Jahren die Welt sich gründlich umgestalten und namentlich neue Religionen entstehen sollten[1]. Damit war das Princip gegeben, alles Irdische ohne Ausnahme, selbst die Religion, in den Zusammenhang des Kosmos und seiner Naturgesetze einzufügen. Mochte die Durchführung dieses Princips bei verschiedenen Astrologen eine etwas abweichende sein, in der Berechnung der einzelnen Perioden oder des aus dem Griechischen Alterthum herübergenommenen „grossen Jahrs“ manche Ungleichheit sich ergeben, mit dem Grundgedanken hat vor Allem jene kühne Folgerung, welche auch in der Religion wie im Staat ein Naturproduct erblickte, nicht nur in der Welt des Islam, sondern mindestens eben so sehr im christlichen Abendland anregend und aufregend gewirkt. Man begreift, wie die Behauptung Moslimischer Astrologen, die Religion des Propheten werde keinenfalls über ein Jahrtausend, vielleicht nicht 600 oder gar nur 300 Jahre dauern, gelegentlich geradezu den Abfall, die Sectenbildung begünstigt hat[2]. Gegen den Einfluss solcher Ideen wehrt sich freilich der bedeutendste Geschichtschreiber oder vielmehr historische Denker des Islam, der Nordafrikaner Ibn Chaldûn († 1406), den man als den ersten Vertreter einer

  1. Vgl. M. Steinschneider in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft XXVIII (1874), 627 ff.; O. Loth, Al-Kindî als Astrolog (Morgenländische Forschungen, Festschrift für Fleischer, Leipzig 1875, p. 261 ff.); A. v. Kremer, Culturgeschichte des Orients unter den Chalifen, II (1877), 448 f.; Notices et extraits des manuscrits de la bibliothèque imp. XX. 1, 205 ff.
  2. Vgl. Steinschneider in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft XXV, 395 Anm. 1; XXVIII, 629; 632.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_032.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)