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Zeit des Fürsten Vatatzes“ im Grab des Dichters bei Tomi aufgefunden sein wollte, gibt neben allen möglichen Versuchen einer „philosophischen“ Apologie der christlichen Dogmen und krassem astrologischem Aberglauben die Lehre von den sechs planetarisch bedingten Weltreligionen; der Mosaischen, Chaldäischen, Aegyptischen und „unserer Saracenischen“ sollen noch zwei andere Secten folgen, davon eine, die unter dem Mond stehende, deutlich genug als die des Antichrist gezeichnet wird, während zuletzt alle Völker unter „dem Glauben des Mercur“, d. h. dem Christenthum, sich vereinigen. Den Schluss bildet ein Gebet an die heilige Jungfrau!

Dieses wunderliche Machwerk wird schon von Roger Bacon benützt; im 14. Jahrhundert erschien eine Französische Uebersetzung und die Vorstellung von einer astrologisch begründeten heidnischen Weissagung auf den Erlöser bürgerte sich immer mehr ein, bald mit dem Namen Ovid’s, bald mit dem eines fabelhaften Griechischen Weisen verknüpft, oder auch sämmtlichen Sternkundigen des Orients untergeschoben; so spricht ein vornehmer geistlicher Chronist, der Bischof von Bisignano, Johannes von Marignola, der im Auftrag Kaiser Karl’s IV. schrieb, von der übereinstimmenden Prophezeiung aller Babylonischen, Aegyptischen und Chaldäischen Philosophen und Astrologen, sowie des Ovidius, dass eine unter der Conjunction Saturns mit Mercur geborene Jungfrau, ohne vom Manne berührt zu sein, einen Sohn zur Welt bringen werde[1]. Und wie in jenem Pseudo-Ovid

    Ovidio, sed ab alio longe post adventum Christi fuisse scriptum“); Pico della Mirandola, In astrologiam disp. I (Opp. ed. Basil. 1561, I, 419). Aber noch im 16. Jahrh. gab es Stimmen, die sich zu Gunsten der Echtheit hören liessen (vgl. Meibomius I, 351 Anm.; Krause in den Jahrbb. des Vereins für Meckl. Gesch. XLVII, Schwerin 1882, p. 111 ff.). Dass der Verfasser „mit Abumaschar’s Kuh pflügt“, bemerkt ganz richtig Joh. Friedr. Mayer in seinen „Disputationes tres, utrum fata religionum, regionum et urbium dependeant ab astris“ (Hamburg 1700), wo aber II, 3; 5 irrig Pseudo-Ovid’s „nostra fides“ unter der Venus (Islam), die doch als eine monotheistische und sinnliche Paradiesesfreuden verheissende charakterisirt ist, als Römische Religion, die kommende Religion des Mondes (Antichrist) als Islam gedeutet wird.

  1. Vgl. Konrad von Megenberg, Das Buch der Natur, ed. Pfeiffer (1861), p. 61; Reinfrid von Braunschweig (Bibl. des literar. Vereins CIX, 1871) Vers 18 630 ff.; 21 314 ff. (der Grieche „Savilôn“ als astrolog. Prophet); Chronicon Johannis Marignolae (Dobner, Monum. hist. Boemiae II, 253; vgl. auch 106).
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_053.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)