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unter dem Zwang der himmlischen Einflüsse vor sich gehe, hatte einige Zeit früher ein Deutscher Kirchenfürst, Bischof Albert von Halberstadt, offen sogar vor Laien ausgesprochen[1]. Und aus jener in Frankreich geführten Polemik erfahren wir, mit welchen Gründen manchmal die Verehrer der Astrologie zu erhärten suchten, dass sie auf gut christlichem Boden stünden; man berief sich auf Gott selber, der die Geburt seines Sohnes durch eine Constellation anzeigen liess, oder wohl gar auf einen Brief über die Bedeutung der Constellationen, den Christus noch zu Lebzeiten an den Apostel Paulus geschrieben habe[2]! Nach wie vor ergaben sich nicht nur Laien der verschiedensten Stände, sondern auch hochstehende Führer und Lehrer der Kirche dem Zauber einer entschieden paganistischen, aber durch Aristoteles und seine Arabische Gefolgschaft legitimirten Weltanschauung.

Nur so erklärt sich uns die überraschende Thatsache, dass ein Mann wie Peter von Ailli seine Abhandlung von der Uebereinstimmung der astronomischen Wahrheit mit der Geschichte schreiben und jene Lehre des Albumasar von der Entstehung aller Religionen sich aneignen konnte. Dieser gefeierte Gelehrte und kirchliche Diplomat, seit 1397 Bischof von Cambrai, seit 1411 Cardinal, fand neben der Fülle von Arbeit, die ihm die brennenden Fragen des Schismas und der Kirchenreform auferlegten, immer noch Zeit, der ihm oft vorgeworfenen Beschäftigung mit astrologischer Speculation nachzuhängen. So entschieden er auch gegen die „abergläubischen Astrologen“ Front macht und die unbedingte Unterwerfung des menschlichen Willens unter den Einfluss der Gestirne bestreitet, so erscheint trotzdem in den Augen des Nominalisten, dessen Philosophie sich auf „das natürliche Licht“ angewiesen sah, die Astrologie geradezu als eine „natürliche Theologie“[3]. Es überrascht auf den ersten Blick, dass Ailli während der Vorbereitung und Einleitung des grossen Konstanzer Concils sich die Zeit nahm, wiederholt und ausführlich über die astrologische Auffassung der Weltgeschichte zu schreiben und für ihre Berechtigung einzutreten. Aber nachdem die Synode zu Pisa statt einer Beendigung des Schismas

  1. Vgl. d’Argentré, Collectio iudiciorum I, 1, 391 f.; Lea II, 392.
  2. Hartwig a. a. O. I, 29; 34 Anm.
  3. Vgl. P. Tschackert, Peter von Ailly (Gotha 1877), p. 41; 303; 329; Zöckler I, 462 ff.; 510 f.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_08_057.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2023)